Einsam, zweisam, dreisam
beiden zum Personen- und Objektschutz abgestellten Polizeibeamten nahmen die Verfolgung der Sachbeschädiger nicht auf, weil, wie sie sagen, «das ganze auch ein Ablenkungsmanöver hätte sein können». Drei Herren von der IHK stellten ihre eigenen Dienstwagen samt Chauffeuren für die Heimreise der Gäste zur Verfügung
Das also hatte Yogi gestern gemacht.
Als Sig zur Galerie zurückkommt, ist die Tür noch immer verschlossen, und auch der Zettel hängt da noch. Trotzdem holt er die Mappe aus dem Laden und setzt sich auf die Stufen vor der Tür.
Da ist gerade so ein hübscher Sonnenfleck.
Etwa zwanzig nach fünf kommt eine Dame in lila Hosen an ihm vorbei. Sie ist mollig und vielleicht fünfzig, hat einen grauen Pferdeschwanz und fragt, während sie den Schlüssel in der Tür umdreht:
«Wollen Sie zu mir?»
«Ich glaube», sagt Sig und steht auf.
Er wolle ausstellen, sagt er, und habe einige Arbeiten dabei. Wenn sie wolle, könne sie die gern sehen. Er legt die Mappe auf einen großen Tisch an der hinteren Wand des Raumes.
«Ja», sagt sie, «gern», aber sie müsse ihm gleich sagen, daß sie selber bei der Auswahl nur eine Teilstimme habe. Ein Viertel, wenn man es genau nähme.
«Na ja», sagt Sig und öffnet die Mappe.
Ihre Aufmerksamkeit steigert sich, als sie erfährt, daß er in Stuttgart an der Kunstakademie bei einem richtigen Professor studiert hat. Sie blättert. «Originell», sagt sie irgendwann.
Schließlich hat sie die Mappe durch und liest die Liste der Ausstellungen, die Sig bisher schon gemacht hat, dann die aufbewahrten Einladungskarten und am Ende die Kritiken. Die schlechten hat er nicht dabei.
Es gefällt ihr gut, sagt sie, nachdem sie alles gelesen hat. Ob er die Mappe ein paar Tage dalassen kann?
«Nicht gern», sagt er, «aber wenn es sein muß …»
«Augapfel», sagt sie und täschelt die Mappe.
Sie bietet ihm Kaffee an, und obwohl er weiß, daß der schon lang in der Maschine gestanden haben muß, nimmt er an. Die Frau, der Moment und die Galerie gefallen ihm. Der Kaffee schmeckt grausig, und die Frau heißt Heidi.
Die Galerie ist ein Gemeinschaftsprojekt von vier Freunden. Einen kenne er seit gestern, sagt Sig. Curd, spielt Klavier.
«Das war mal mein Mann», sagt Heidi, und es klingt nicht traurig, eher so, als belächle sie eine eigene Dummheit.
Es sieht kritisch aus für die Galerie, denn Heidi hat eine Stelle angenommen und kann sich nicht mehr so kümmern wie bisher. Die andern drei sind schon immer eher stille Teilhaber gewesen. Helfen , wenn mal Not am Mann ist, aber wollen nicht im Laden sitzen.
Eine Galerie, die aber nur ein paar Stunden täglich aufhat, kann nicht überleben. Das Laufpublikum, die unschlüssigen Geschenksucher, die sich auch mal für ein Bild entscheiden, sind wichtig. Von den geladenen Gästen bei den Vernissagen kann man nicht leben. Heidi sucht schon seit zwei Monaten nach jemandem, der den Laden offenhält.
«Finden Sie mal einen, der sich für vierhundert Mark und ein Zimmer hier reinsetzt», stöhnt sie.
«Sehen Sie mal in meine Richtung. Wie ist das Zimmer?»
Sie kommen überein, daß Sig am nächsten Montag anfängt. Das Zimmer ist hinter dem Galerieraum und hat eine Kochnische und eine Dusche mit Klo. Es ist hübsch, findet Sig, ein Fenster zum Hinterhofgarten, halbwegs gutes Licht, ein Klappbett, zwei Stühle, ein Tisch und ein Sessel. An der einen Wand steht eine dunkelgrüne Kombination aus Schrank und Regal.
«Gefällt mir», sagt Sig.
Trotz seines Lauerns, was Kleidungsstücke und «Uniformen» bei anderen betrifft, ist er, wie viele Künstler, kein Ästhet. Er findet, Geschmack sei ein Ersatz für Charakter und habe er nicht nötig.
Ohne die Mappe hat er irgendwie eine Hand zuviel. Und die paßt, wie immer, nicht in die Jeanstasche. Ich bin jetzt reich, denkt er, und ein Neufreiburger, und ich kauf mir jetzt eine Hose. Er geht in die nächstbeste Boutique.
Heraus kommt er in einer unfarbig-bleigrauen Hose, die jetzt, da sie noch Bügelfalten hat, sehr schick aussieht. Auch ein neues Hemd, nur wenig dezenter als das alte, blitzt aus der violetten Jacke hervor. Der Verkäufer hat sofort erkannt, daß dieser Kunde reif ist. Hätte Sig ihm nach dem Hemd nicht Einhalt geboten, er wäre bis zum Schnürsenkel neu eingekleidet worden.
Jetzt, mit der Tüte, hat er wieder eine Hand zuwenig, denn die Hosentaschen sind tief und wollen, daß man bis zum Ellbogen drin versinkt. In der Tüte ist die Hölle los. Die Jeans betrauern
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