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Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Stimme, tiefer als sonst und leise, als käme sie von weit her, sagt sie: «Sei ganz sanft bitte. Laß es lange dauern. Es ist schön.»
    Aus ihm kommt wieder so ein krächzend fremdes «Ja», und sie sagt: «Laß die Augen auf. Schau mit mir die Lichtung an. Du sollst die Krokusse behalten.»
    Er bewegt sich kaum. Er spürt, daß ihre Hand sich rührt, und nach kurzer Zeit kommt das Zucken wieder.
    Mit beiden Händen hält er ihre Hüften. Sie wirft den Kopf in den Nacken, und er spürt die Spannung in ihr. Jetzt holt er weiter aus. Ihre Hand bewegt sich schneller. Das Zucken steigert sich. Er paßt auf, um nicht aus ihr zu rutschen. Sie keucht. Er krallt seine Hände fester. Die Krokusse! Er schaut auf die Wiese. Ihre Hand muß rasen, sie berührt ihn immer wieder. Manchmal pikst ihn einer ihrer Fingernägel. Er kann es nicht mehr halten und ergießt sich in sie. Sie fühlt sich fast an wie Metall. Das Zucken ist jetzt regelmäßig und schnell. Er wartet, daß sein Zerreißgefühl abnimmt, aber es nimmt nicht ab. Er bleibt oben. Ganz oben. Er kommt nie mehr runter. Als käme noch immer mehr aus ihm herausgeschossen, spürt er das Zusammenziehen und Loslassen zwischen seinen Beinen.
    Sie ist jetzt völlig unkontrolliert. Er hält sie hart umklammert. Schweißperlen glänzen auf ihrem Rücken. Sie zuckt und wirft sich hoch, schleudert ihn von sich und fällt auf die Knie, eine Hand über sich in die Brüstung verkrallt.
    Wie ein sterbender Fisch zuckt sie langsamer und seltener. Die Abstände werden größer, das Zucken immer kleiner. Sie sitzt auf den Knien, und er hinter ihr. Die Hände an ihre Wangen und sein heißes Glied an ihren Rücken gepreßt.
    Als die kleinen Erschütterungen ganz aus ihrem Körper verschwunden sind, nimmt sie seine Hand, führt sie an ihren Mund und küßt die Innenfläche: «Hast du die Krokusse gesehen?»
    «Ich weiß nicht», sagt Sig.
    Sie wirft den Kopf herum und küßt ihn auf den Mund. Sie fährt ihm durch die Haare und sagt: «Schnell anziehen. Keine Inflation reizvoller nackter Körper.»
    Erst jetzt, da sie flink in ihre Kleider schlüpfen, wird Sig bewußt, daß er eigentlich hätte Angst haben müssen. Mein Gott, wenn irgendwer gekommen wäre? Aus dem richtigen Blickwinkel hätte man sie sehen können, wie sie nackt auf dem Hochsitz tanzten. «Woher hast du diesen Mut?» fragt er.
    «Und du?» sagt sie lachend. «Ich meine, wieso ich? Das waren wir doch beide.»
    «Ich hab nur vergessen, Angst zu haben. Bei mir ist das kein Mut.»
    «Ich wußte, daß niemand kommt», sagt sie leichthin. «Komm. Angezogene Leute haben hier nichts mehr zu suchen.»
    Sie faßt ihn an den Schultern, lacht und schüttelt ihn ein bißchen, damit sein verdutzt-entzückter Gesichtsausdruck weggeht. Sie zieht ihn zu sich und riecht in seiner Achsel. Wie ein Kätzchen rammst sie ihre Nase in die Höhle: «Riecht nach Sünde.»
    «Stinkt?»
    «Riecht gut.»
    «Ich bin glücklich», sagt er.
    Sie lächelt.
    Hintereinander, als wollten sie die Frühlingswiese schonen oder Verfolger nasführen, gehen sie in der alten Spur über die Lichtung zurück. Wieder schlenkert Regina ihren Mantel über die Blumen. Sig hält Abstand, um sie ansehen zu können.
    Sie wirkt so ganz und zufrieden, so aufgeräumt und einig mit der Welt. Das paßt nicht zu dem, was sie von sich erzählt hat. Schon die zweite Regina Hodler, in die ich mich verliebe, denkt er, mal sehen, wie viele noch kommen.
    Sie geht so sicher und fest, als habe sie einen Vertrag mit dem Leben geschlossen, auf den sie sich verlassen kann. Im Vergleich zu ihr kommt Sig sich viel verlorener vor. Aber warum? Auch sie ist über dreißig und immer noch Student. Auch sie macht sich, wie er, nicht nützlich auf der Welt. Sie ist reich von innen, denkt er, sie hat etwas, das ich nicht habe. Sich selber vielleicht. Ich muß mich immer wieder herbeimalen, und sie hat sich einfach.
    Sie gehen zurück in Richtung Günterstal. Sie fassen sich nicht an, gehen jeder für sich, aber nah beieinander. Sig stöbert mit den Füßen im Laub. Regina hat sich den Mantel über die Schulter geworfen. Das Schweigen ist jetzt wieder anders. Es knistert vor lauter Befürchtungen, jedenfalls bei Sig. Eine Melancholie oder Enttäuschung könnte das eben Erlebte verkleinern. Sie könnte etwas sagen oder tun, eine ihrer überraschenden Wendungen vollziehen und damit den Grenzübertritt, den er eben getan hat, für beiläufig, normal oder nichtig erklären.
    Schon wieder fürchtet er.

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