Einsam, zweisam, dreisam
den Schlitz.
«Hast du mich deswegen hierher geführt?» fragt Sig.
Sie schüttelt den Kopf: «Also manchmal redest du, als hättest du dich vorbereitet.»
«Das Gefühl hab ich aber eher bei dir. »
«Pingpong», sagt sie. «Zieh dich um. Wir treffen uns am Ein-Meter-Brett.»
Ihre Fröhlichkeit legt seine Angriffslust lahm. Aber Angreifen ist sowieso blödsinnig. Im Nu muß er sich jedesmal verteidigen, so flink dreht sie die Gesprächslage nach ihren Bedürfnissen um.
Eben hat sie ihm noch die Badehose, ein Handtuch und Seife in einer Plastikbox auf den Arm gestapelt. Die Badehose ist scheußlich. Sie teilt seinen Geschmack, das konnte er an ihren hochgezogenen Augenbrauen sehen. Zwei Mark hat sie ihm auch noch auf den Stapel gelegt. Für den Spind. Die wirft er jetzt in den Schlitz an der Tür. Da ist ein Unterschied, denkt er, da hat sie recht. Er ist allein in der Kabine. Beim Ausziehen ist er froh, denn ihm fällt ein, wie sie «riecht nach Sünde» gesagt hat.
Das Handtuch um die Schultern, geht er in die Dusche. Auch hier ist er allein. Trotzdem sucht er sich eine der Kabinen mit einer Klapptür davor. Man kann nie wissen.
Er duscht lang und heiß. Den Duschknopf muß er sechsmal drücken. Die geizen hier mit Wasser. Sauber und warm geht er in den Beckenraum. Regina sitzt schon auf einem der Startblöcke. Er sieht sie und zieht den Bauch ein. Viel ist da nicht zum Einziehen, aber immerhin ist vor einigen Jahren die Senke um seinen Nabel einer leichten Wölbung gewichen. Industriegrafikerbauch nennt er das selber. Kommt kurz vor der Glatze.
Aber auch das wenige, was er zu verbergen hat, entgeht ihr nicht. Sie lächelt ihm entgegen und sagt: «Das Bäuchlein hab ich mitgekauft.»
Das ärgert ihn nun aber doch. Braucht sie denn immer was zum Durchschauen?
«Was hat es dich gekostet?»
Das klingt zu giftig, aber jetzt ist es schon raus. Er versucht noch abzumildern: «Ich meine, ist es das wert?»
Sie streckt ihm die Arme entgegen: «Nun sei doch nicht so empfindlich. Das war nicht bös gemeint. Ich freu mich an dir. Und wenn du’s wissen willst, dann hab ich eben mit einer Art Unschuld bezahlt.»
«Unschuld?»
«Ja.»
«Versteh ich nicht.»
«Ich fang von vorne an.»
«…?»
«Ich mag es jetzt grad nicht erklären. Sei einfach nicht sauer. Glaub mir, daß ich dir gut bin. Ich bin dir gut. Ich mag es, wenn du verblüfft bist, wie jetzt grade.»
Sig ist froh bis in die Zehen, daß sie «jetzt nicht erklären» gesagt hat. Das heißt, sie glaubt an ein «Später».
Er zupft vorn an ihrem Oberteil, läßt den schmalen Steg zwischen ihren Brüsten auf die Haut zurückschnipsen und fällt steif, wie ein Stock, seitlich ins Wasser.
Nach der ersten Atemnot, die ihm das kalte Wasser verursacht, reißt er die Augen auf und sieht, daß Regina eben zu einem Hechtsprung vom Startblock aus ansetzt. Er wünschte, er könnte den Sprung in Zeitlupe sehen. Oder besser noch, das Bild in dem Moment anhalten, da ihre Brüste frei hängend den tiefsten Punkt ihres Körpers ausmachen. Er schwimmt zu der Stelle, an der er glaubt, daß sie auftauchen wird.
Als sie sich wassertretend die Augen reibt, sagt er: «Ich bleibe in Freiburg. Ich hab einen Job. Montag fang ich an.»
Sie sieht ihn an und sagt nichts. Macht ein paar Schwimmzüge weg von ihm und taucht unter. Fünf Meter weiter taucht sie wieder auf, und erst von dort ruft sie über die Schulter: «Ich bin einverstanden.» Dann krault sie in schnellem Tempo noch weiter und ruft: «Sogar sehr.»
Sie taucht wieder unter, und Sig schwimmt zum Beckenrand, um von dort nach ihr zu suchen.
Im Bad sind vielleicht zehn Schwimmer. Die meisten ältere Damen mit blumenverzierten Bademützen, die gemächlich, aber verbissen das vom Arzt verordnete Pensum absolvieren. Zwei junge Männer und ein Mädchen mit Schwimmbrillen und fanatischem Gekeuche trainieren offenbar. Zum Vergnügen scheint niemand hier zu sein.
In einer Wasserfontäne taucht Regina direkt vor ihm auf, prustet, japst mit aufgerissenen Augen und küßt ihn auf den Mund.
«Ich freu mich.» Unter Wasser schiebt sie ihre Hand in seine Badehose.
«Nicht», sagt Sig, «wo soll ich denn hin damit?»
Sie läßt los und schwimmt zügig zur anderen Seite. Sie schwimmt wie ein Fisch. Er versucht ihr hinterherzukommen, aber da er kein besonderer Schwimmer ist und auch keine Lust auf Hochleistungsgejapse verspürt, gibt er, dort angekommen, auf. Sie ist schon wieder eine Länge weiter. Er hängt sich ins
Weitere Kostenlose Bücher