Einsam, zweisam, dreisam
Geländer und wartet. Bald schießt sie wieder senkrecht aus dem Wasser und sagt lachend: «Mit der Badehose bist du auch für ein U-Boot leicht zu finden.»
Er verzieht das Gesicht.
«Steckt doch wenigstens ein schöner Mann drin», sagt sie.
«Hat es nicht geheißen, das wüßte ich?»
«Hat es nicht geheißen, da täuschst du dich?»
Sie strampelt fröhlich mit den Beinen, hat sich neben ihn an die Stange gehängt und sagt einige Zeit nichts. Dann, unvermittelt nachdenklich: «Hör mal, ich sag dir mal was. Vorhin hab ich gesagt, ich fang neu an. Du kannst mir helfen, wenn du willst. Du kannst auch neu anfangen. Mit mir. Erzähl mir einfach nichts von früheren Frauen. Laß mich extra sein. Ich will nicht in die Reihe. Ich will keine Fortsetzung sein. Gib mir keine Antworten auf Fragen, die dir deine Karin vielleicht gestellt hat. Willst du?»
«Klingt wie ’ne große Sache», meint Sig, «will ich.»
Sie hängen ihren Gedanken nach. Mittlerweile ist eine Gruppe Kinder angekommen. Das gellende Johlen und Quieken ist schmerzhaft.
«Soll ich deshalb nicht mit zu dir kommen, weil da Spuren sind? Von früher, mein ich», fragt Sig.
«Es sind keine Spuren da, aber du könntest manches dafür halten. Du wärst argwöhnisch und würdest uns unsicher machen.»
«Ist das nicht alles ein bißchen furchtbar intellektuell?»
«Vielleicht.»
Sie taucht wieder eine Runde. «Was für ein Job?» fragt sie beim Auftauchen. Er muß den Gedankensprung erst nachvollziehen. Er war noch beim Neu-Anfangen.
«Ach so. In einer Galerie. Ich sitze da und lächle freundlich, wenn jemand die Ausstellung sehen will.»
«Und damit kann man reich werden?»
«Eher nicht, aber Geld soll doch auch nicht glücklich machen», lacht Sig. «Außerdem ist ein Zimmer im Lohn enthalten. Montag kann ich einziehen.»
«Willkommen in Baden», sagt sie und wirft ihm eine Handvoll Wasser ins Gesicht.
«Bäh! Nicht! Ich bin wasserscheu.»
«Dafür bist du aber schon ganz schön verschrumpelt», lacht sie, «laß uns rausgehn.»
Beim Schwimmen auf die andere Seite muß Sig zweimal demselben fanatischen Krauler ausweichen. Der würde ihn einfach niederkraulen.
Nachdem er geduscht und sich angezogen hat, will er die Treppe hoch, um oben auf Regina zu warten. Der Gang mit den Föns ist nach beiden Seiten offen. Als er zur Treppe geht, ruft sie von drüben: «Fön dir die Haare.»
«Brauch ich nicht. Ich hab’s gern so.»
«Aber ich brauch’s», ruft sie bestimmt. «Bitte.»
Also geht er zurück und wirft zehn Pfennig ein. Er wuschelt sich ein paarmal unlustig durch die Haare und geht wieder los.
«Reicht nicht», ruft sie wieder unter ihrem Fön vor.
Sie hat was Dominantes, denkt er, geht aber geduldig zurück und wiederholt die Prozedur, bis die Haare trocken sind.
Sie erwartet ihn oben an der Treppe. Fährt mit den Fingern durch sein Haar und prüft, ob es auch wirklich trocken ist. Dann sagt sie:
«Brav.»
«Bist du ein Einzelkind?» fragt Sig.
«Ja. Befehl ich dir zuviel?»
An ihrem Tonfall hört er, daß sie nicht bereit ist, Klagen ernst zu nehmen.
«Ja», sagt er trotzdem.
«Ach komm, vielleicht liegt das gar nicht an meinem schlechten Charakter, sondern daran, daß ich einen Plan habe.»
«Einen Plan? Was für einen?»
«Neu anzufangen. Mit dir.»
Sig hat Hunger. Sie führt ihn zum Martinstor, wo er sich in einer knallbunten Reihe von Kindern und Halbwüchsigen bei MacDonalds anstellt. Regina wartet draußen. Sig fühlt sich alt in dem Gewühl. Da ist mir doch schon eine komplette Generation in den Rücken gefallen, denkt er, die versteh ich schon nicht mehr. So schnell geht das. Die Kinder kommen ihm allesamt recht nachgemacht vor. Irgendwie nicht echt. Unter kunstvoll zurechtgefönten Haaren glotzt ein dumpfes Bierdosengesicht. In der original-aggressiven Punk-Kluft mit Sid-Vicious-lebt-T-Shirt, Ketten und Bomberstiefeln strahlt ein nur mühsam auf abgebrüht getrimmtes Kindergesicht. Barbiepuppen, denkt er, die sich selbst anziehen.
«Einen Hamburger Royal Turbo bitte», sagt er freundlich, als er vorn in der Schlange angekommen ist.
Das Mädchen mit der blonden Tolle schaut konsterniert.
«Es gibt nur Royal. Kein Turbo.»
«Dann halt ohne Turbo. Den dritten da von links, den hätt ich gern.»
«Wieso?»
Jetzt scheint sie nicht nur konsterniert, sondern auch ärgerlich. «Der scheint mir am besten gelungen zu sein.»
Wortlos nimmt sie den ersten aus der Reihe, tippt zwei Mark vierzig in die Kasse und gibt ihm
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