Einsame Herzen
sie sich aus, wie es sein würde, sich in Darkos muskulösen Armen wiederzufinden. Wie sich ihre Brust an die seine pressen würde, wie sich sein warmer Mund auf ihre Lippen senken würde. Merkwürdigerweise begann ihre Haut bei dieser Vorstellung zu prickeln, obwohl sie genau wusste, dass sie an einem Kuss von Darko keinen Gefallen finden würde. Wenn Darko sich im Bett so verhielt, wie er sich im Alltag gab, dann würde Intimität mit ihm kein Vergnügen sein. Bestimmt wäre er nur an der Befriedigung seines eigenen Verlangens interessiert, würde selbstsüchtig nehmen und nichts geben.
Danielle blinzelte um die unliebsamen Gedanken zu vertreiben. Es stand natürlich ausser Frage, dass sie auf Darkos als Angebot verschleierte Erpressung eingehen würde. Das Problem war nur: Wie sollte es mit ihr und den Mädchen weitergehen, wenn sie Darko den Rücken kehrte? Nie würde sie das Leben ihrer Töchter den schmierigen Zwillingen anvertrauen. Dem alten Einsiedler traute sie genauso wenig über den Weg wie den zwielichtigen Brüdern.
"Mama? Erzählst du uns jetzt endlich eine Geschichte?", riss Louise Danielle aus ihren Gedanken.
Emma und Louise lagen bereits unter ihren grossen, weichen Decken vergraben. Wie Danielle in die sanften Gesichter ihrer Mädchen blickte, die es sich im warmen Bett gemütlich gemacht hatten, vergass sie den harten, rauen Winter, der ihr so zu schaffen machte. Sie legte sich zwischen Emma und Louise und zog sich die Decke bis unters Kinn. Ihre Töchter kuschelten sich eng an sie. Das Feuer knisterte leise im Kamin und warf warme Schatten im Wohnzimmer.
Danielle seufzte innerlich auf. Wie gemütlich es hier doch hätte sein können, wenn sie sich bloss keine Sorge um Nahrungsmittel hätte machen müssen!
Louise wünschte die Geschichte vom Feuerberg zu hören, eine Geschichte, die Danielle ihren Töchtern während der vergangenen Monate bestimmt schon hundert Mal erzählt hatte, doch Emma und Louise wurden nie müde, sie noch ein weiteres Mal zu hören.
Danielle räusperte sich und begann zu erzählen, wobei sie Nachbarn und Sorgen gleichermassen vergass. Mit weicher, sanfter Stimme trug sie die Geschichte des Feuerbergs vor: "Genau hier, wo jetzt unser Haus steht, hatte vor vielen Jahren ein ganzes Dorf gestanden. Im 19. Jahrhundert hatte es hier ein Dorf gegeben, in dem die Leute friedlich zusammenwohnten, sich ihr Überleben durch Handarbeit, Ackerbau und Viehzucht sicherten. Eines Tages aber, im Juli um 1910, geschah ein schreckliches Unglück. Es ging gegen Abend zu: In den meisten Häusern wurden an der Feuerstelle die Gluten geschürt, damit das Abendessen zubereitet werden konnte.
An besagtem Abend hatte Frau Sieber, eine Familienmutter aus dem Dorf, grosse Mühe, ein Feuer anzumachen. Als es ihr endlich doch gelang, entfernte sie sich vom Feuer, um einen grossen gusseiserenen Kessel zu holen, den Kessel mit dem Eintopf. Sie hatte den Eintopf am Nachmittag zubereitet und wollte ihn nun über dem Feuer wärmen.
In dem kurzen Augenblick aber, während dem Frau Sieber das Feuer unbeaufsichtigt liess, sprangen Funken aus der Feuerstelle auf den Holzboden über. Als Frau Sieber ins Wohnzimmer zurückkehrte, hatte der Fussboden bereits Feuer gefangen.
Es war ein warmer, trockener Sommer im Juli 1910: Das Holz war dürr und ausgetrocknet, ein gefundenes Fressen für das Feuer.
Kaum sah sie die Flammen, rannte Frau Sieber ins Freie, um Hilfe zu holen. Schnell kehrte sie mit einem Trupp Männer aus dem Dorf zurück, doch es war bereits zu spät. Ihr Haus war in der Zwischenzeit ganz in Flammen aufgegangen.
Die Flammen begnügten sich jedoch nicht nur mit dem Haus der Siebers, sondern sprangen weiter, von einem Haus zum nächsten, bis das ganze Dorf lichterloh brannte. Alle Löschversuche waren vergeblich. Das ganze Dorf fiel dem Feuer zum Opfer, brannte innert weniger als einer Stunde nieder."
"Mit Ausnahme von fünf Häusern", beendete Louise die bereits vertraute Geschichte. "Vier davon bildeten am Dorfende einen vierzackigen Stern und nahmen das fünfte Haus in ihre Mitte."
Danielle nickte. "Genau. Das Haus in der Mitte, das war das Haus meiner Urgrossmutter und eurer Ururgrossmutter."
Emma kuschelte sich dichter an Danielle. "Das Dorf wurde nie wieder aufgebaut", murmelte Emma an Danielles Schulter. Danielle nickte. "Nach dem Feuer zogen die Leute weit fort. Sie hatten in den Flammen ihr ganzes Hab und Gut verloren und wollten nun die grösstmögliche Distanz zwischen sich und den Feuerberg
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