Einsame Herzen
lag, tat, als würde sie es eingehend studieren.
Dies war ihr erster Weihnachtsabend, den sie mit einem unbekannten Mann verbrachte. Sie wusste nichts über Darko Coda ausser dem, was sie auf dem Feuerberg über ihr erfahren hatte, ohne dass er es ihr mit Worten mitgeteilt hatte. Er war schonungslos direkt, selbstgerecht und arrogant. Er war aber auch ein Mann seines Wortes, er hielt, was er versprach. Und wie sie wusste, täuschte sein einschüchterndes Aussehen. Darko konnte sehr sanft sein, wenn er wollte, sanft und zärtlich.
Süsses Verlangen pulsierte leise durch Danielles Körper. Sie wünschte, sie hätte es unterdrücken können. Sie war nicht Darkos Typ, das war ihr nur zu bewusst. Er hatte sie zwar sanft behandelt, ihr gegenüber aber nie ein süsses Wort fallen gelassen. Sie brauchte sich keine falschen Hoffnungen zu machen. Er war mit ihr zusammen gewesen, weil sie die einzige Frau hier oben war. Er hatte ihre Einladung angenommen, damit er den Weihnachtsabend nicht alleine verbringen musste. Wenn er noch nicht aufgebrochen war, dann deshalb, weil er satt und träge vom Festessen war und nicht, weil er ihre Nähe suchte. Sie brauchte sich keine Illusionen zu machen.
"Danielle? Woran denkst du?"
Aus ihren Gedanken gerissen zuckte sie zusammen. Sie hob den Kopf. "Oh... ich... nichts Besonderes. Mir ist nur gerade durch den Kopf gegangen, dass dies die erste Weihnacht ist, die ich mit Fremden verbracht habe."
Darkos Augen verengten sich. "Ich bin ein Fremder für dich?"
Danielle strich sich nervös mit der Zunge über die Lippen. "Ich... ich weiss nichts über dich."
"Und dennoch hast du mich heute Abend eingeladen."
Danielle schwieg.
"Wieso, Danielle? Wieso hast du mich eingeladen?"
Seine Augen brannten sich fordernd in ihre. "Nun... Ich dachte, niemand sollte Heiligabend allein verbringen müssen", haspelte sie.
Darkos Brust hob und senkte sich schwer.
Er wandte den Blick ab, starrte ins Feuer. Ein angespanntes Schweigen folgte. Danielle nahm ihren ganzen Mut zusammen und durchbrach die Stille.
"Wie lange bist du schon hier?"
"Was?"
"Auf dem Feuerberg. Ich meine, wie lange wohnst du schon hier?"
"Fünf Jahre", antwortete er knapp.
"Und zuvor?"
"Was zuvor?"
"Wo hast du da gewohnt?"
Er zuckte abweisend die Schultern. "Ich habe ein ganz normales Leben geführt, bis... bis vor fünf Jahren eben. Bis ich hierher gezogen bin", erklärte er ausweichend.
Auf seine Worte folgte wieder ein Schweigen. Nur das Knistern des Feuers war zu hören.
"Was ist denn... geschehen?"
Den Blick auf die Flammen geheftete, schüttelte er stumm den Kopf. "Darüber spreche ich nicht."
Danielle spürte, wie sich ihr Herz verletzt zusammenzog. Als er nur stumm ins Feuer blickte und auch ihr nichts mehr einfiel, um das Schweigen zu brechen, wurde sie mit jeder verstrichenen Minute nervöser. Schliesslich erhob sie sich zögerlich. "Ich... äh... Ich geh mal in die Küche", murmelte sie. Statt mit vor Nervosität feuchten Händen im Wohnzimmer zu sitzen, wollte sie lieber den Abwasch erledigen.
"Oh." Darko erhob sich ebenfalls. "Ich helfe dir."
"Nein, nein, nicht nötig", winkte sie schnell ab, doch er ignorierte ihre Worte einfach. Er trat an ihr vorbei, begab sich in die Küche und begann mit dem Abwasch.
Danielle nahm zögernd das Geschirrtuch, um abzutrocknen. Sie arbeiteten schweigend.
Jetzt, da ihre Hände beschäftigt waren und sie etwas zu tun hatte, verflog Danielles Nervosität allmählich. Darko konzentrierte sich gänzlich auf das Geschirr im Spülbecken, so dass sich Danielle nach und nach entspannte. Ohne Darkos eindringlichen Blick auf ihr, den sie nie richtig zu deuten wusste, fühlte sie sich ruhiger.
Der gemeinsame Abwasch in der Küche hatte beinahe schon etwas Heimeliges an sich, schoss es Danielle durch den Kopf. Während der kurzen Zeit, die er bei ihr gewohnt hatte, hatte er ihr nie in der Küche geholfen. Sie waren getrennte Wege gegangen, hatten sich nur beim Abendessen getroffen. Wie sie nun in stummem Einklang die Hausarbeit verrichteten, hätte man meinen können, sie seien langjährige Vertraute.
Darko hatte beinahe fertig abgewaschen, als ein langgezogenes, tiefes Heulen erklang. Danielle erstarrte. Sie umklammerte krampfhaft eine Tasse in der Hand.
"Was war das?", flüsterte sie leise.
Ehe Darko antworten konnte, erklang das bedrohliche Heulen erneut. Danielle legte hastig Geschirrtuch und Tasse auf die Anrichte, stellte sich auf die Zehenspitzen und öffnete das Küchenfenster. Kalte Nachtluft und
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