Einsame Herzen
brauchte. Als sie vertrauensvoll seine Nähe suchte, entfuhr Darko ein dunkles Stöhnen, eine Mischung aus Verzweiflung und tiefer Zufriedenheit. Das Gesicht in ihrem Haar vergraben, begann er plötzlich er zu sprechen. Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus, ein wilder, unkontrollierter Wasserfall. "Wir waren uns so sicher, dass er es war, Danielle. Hundertprozentig sicher, wir hatten keine Zweifel. Aber es war so verdammt hart, Beweise zu finden. Es gab nichts, das wir verwenden konnten, um ihn zu überführen. Seine falschen Alibis konnten wir auffliegen lassen, doch das war auch schon alles. Die Tatsache, dass er in jener Nacht nicht mit seinen Freunden Karten gespielt hatte, genügte nicht, um ihm des Mordes schuldig sprechen zu können. Wir taten, was wir konnten, arbeiteten beinahe pausenlos, Tag und Nacht. Ich hatte der Schwester mein Wort gegeben. Der Schwester seiner toten Ehefrau. Ich hatte ihr versprochen, wir würden ihn festnageln, ihn für immer hinter Gitter bringen. Doch so sehr wir uns auch anstrengten, stichhaltige Beweise konnten wir nicht finden. Wir waren alle von seiner Schuld überzeugt, spürten sie, wann immer wir in seine Nähe kamen. Doch ein Gefühl allein nützt dir nichts. Wir konnten ihn nicht dingfest machen. Wir mussten ihn gehen lassen."
Danielle brauchte eine Weile um Darkos Worte zu verdauen. "Dieser Mann", begann sie dann stockend, "er hat seine Frau umgebracht?"
Darko stiess ein verzweifeltes Stöhnen aus. "Nicht nur sie. Auch ihre beiden kleinen Töchter."
Ein gequältes Wimmern entfuhr Danielles Lippen. Sofort dachte sie an Emma und Louise und eiskalte Angst kroch ihr über den Rücken. Sie begann heftig zu zittern.
Darko drückte sie fest an sich. "Siehst du, darum wollte ich es dir nicht erzählen. Ich wusste, wie du reagieren würdest. Ich wollte dich nicht beunruhigen."
"Wie schrecklich", wimmerte Danielle. "Wie schrecklich!" Sie wiederholte die Worte in einem fort, als würde sich ihr gesamtes Vokabular darauf beschränken.
"Wir haben sie leblos in ihrer Wohnung aufgefunden. Sie lagen im Bett, alle drei nebeneinander. Sie sahen so friedlich aus auf den ersten Blick. Doch die Matratze war blutgetränkt. Er hatte alles genauestens geplant und minutiös ausgeführt. Wir verhörten ihn immer wieder, arbeiteten Tag und Nacht, in der Hoffnung, endlich etwas zu finden, das uns helfen würde, ihn zu überführen. Doch wir fanden nichts."
Darko schwieg eine Weile. Dann fuhr er fort. "Nicht, dass ich in meiner Karriere bei der Kriminalpolizei jeden Fall gelöst hätte. Es kam öfter vor als mir lieb war, dass wir keine Spur hatten vom Täter. Doch dies war das erste Mal, Danielle, dass wir genau wussten, wer der Täter war, aber ihn nur hilflos anstarren konnten."
"Oh, Darko! Wie entsetzlich!"
Danielle umklammerte seinen Hals wie einen Rettungsring. Sie schlang die Beine um seine Hüfte und presste sich so dicht an ihn, wie sie nur konnte. Noch immer bebte ihr Körper vor Schreck.
"Es tut mir leid", entschuldigte er sich gequält. "Ich wollte dir nichts davon erzählen. Ich hätte es nicht tun sollen."
Schweigend umklammerten sie einander, als befänden sie sich auf einem sinkenden Boot mitten im weiten Ozean.
"Nein, Darko", meinte Danielle schliesslich sanft. "Ich bin froh, dass du es mir erzählt hast. Ich bin froh, dass ich weiss, welche Geister dich gejagt haben. Es war richtig, dass du dich mir anvertraut hast."
Nun endlich verstand sie, weshalb Darko sich vom Leben zurückgezogen hatte, was ihn in die Einsamkeit der Berge verschlagen hatte. Es war eine schauerliche Geschichte, doch sie war froh, dass er ihr darüber berichtet hatte. Es half ihr, ihn zu verstehen, half ihr, zu verstehen, wer er war.
Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, senkte sie den Mund und drückte ihre Lippen zärtlich auf seine. Sie küsste ihn, ein Kuss, der ihm Verständnis und Zuneigung signalisierte.
Als sie sich schliesslich von Darko löste, sah er sie aus verschleierten, glänzenden Augen an.
"Wieso bist du so liebevoll?"
"Wie meinst du das?"
"Wieso reagierst du nicht wütend und anklagend auf mein Versagen? Wieso sehe ich keine kalte Verachtung in deinen Augen?"
Danielle schnappte erschrocken nach Luft. Seine Worte machten ihr so einiges bewusst. "Man hat dich gar nicht vom Dienst suspendiert, nicht wahr? Du hast freiwillig gekündigt, weil du geglaubt hast, versagt zu haben. Du hast dich selbst verurteilt, hast auf dein Versagen so reagiert, wie du es von mir erwartetet hast: Wütend,
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