Einsame Spur (German Edition)
es funktionierte, würde sich das Gefühl in Alice verstärken und an die Oberfläche des Bewusstseins dringen. Dann könnte es stärker in ihr pulsieren und auf diese Weise Alices Geist so weit stimulieren, dass sie sich aus dem Koma befreien konnte. Sascha wusste nicht, wie lange sie so gesummt und verschiedene »Tonlagen« ausprobiert hatte, als etwas einrastete.
»Bei den Aufzeichnungen hier tut sich etwas«, ließ sich Lara aus der Ferne vernehmen. »Ich glaube, es funktioniert.«
Zwei Tage nach ihrer Rückkehr aus Venedig betrat Adria das Haus der Delgados in San Diego, ohne genau zu erfahren, was sie dort eigentlich zu suchen hatte. Riaz hatte sie um vier Uhr nachmittags aufgestöbert, als sie gerade ihre zweite Unterrichtsstunde mit einer Einheit von Indigos Rekruten beendet hatte, die von ihr den Kampfsport erlernen wollten, den sie perfekt beherrschte. Sienna Lauren hatte sich als Erste gemeldet und erwies sich als sehr geeignet für diese Disziplin.
»Es liegt an der Regelhaftigkeit«, sagte die junge Frau. »Ich mag es, wie alles auf Hunderten von Sequenzen aufbaut, die man dann in unerwarteter Weise zusammensetzt.«
Mitten im Gespräch war dann Riaz am Rand des Trainingsfelds erschienen. »Ich habe zwei Karten für den Hochgeschwindigkeitszug nach San Diego ergattert«, sagte er, nachdem die junge Frau gegangen war. »Abfahrt ist in zwei Stunden.«
In ihrer Überraschung hatte sie eine Weile gebraucht, bis sie begriffen hatte, was er damit meinte. »Wir können doch nicht so bald nach unserer Rückkehr aus Venedig wieder verschwinden«, sagte sie, und das Herz schlug ihr bis zum Hals.
»Heute Nacht kommen wir wieder – etwa um zwei sind wir wieder in der Höhle. Für heute bist du doch fertig?«
»Ja, aber ich wollte noch Papierkram erledigen.« Wie alle dominanten Gefährten, die sich um Minderjährige kümmerten, hielt auch sie die Eltern mit wöchentlichen Berichten auf dem Laufenden.
»Das kannst du im Zug machen.« Er tippte ihr mit dem Finger auf die Wange. »Komm schon, meine Kaiserin. Ich möchte dir meine Familie vorstellen.«
Die Bedeutung dieser Bitte hatte sie kalt erwischt – dass Riaz sie seinem engsten Rudelkreis so nahe bringen wollte, hatte ganze Hundertschaften von Schmetterlingen in ihrem Bauch flattern lassen.
»Der Garten ist atemberaubend«, sagte sie, die Hand noch immer auf dem Magen wegen der Schmetterlinge, als sie aus dem Taxi stiegen.
»Und du hast einen zauberhaften Geschmack, meine Liebe!« Die kleine, rundliche Frau, die sie auf Hawkes und Siennas Zeremonie gesehen hatte, tauchte unerwartet hinter einem Rosenbusch auf, breitete die Arme aus und lächelte sie herzlich an. »Es freut mich sehr, dich kennenzulernen.«
Adria beugte sich vor und umarmte Abigail Delgado. Riaz’ Mutter duftete nach so vielen verschiedenen Gewürzen, dass Adria gar nicht alle benennen konnte, und über allem lag ein süßer Blumenduft. »Ich freue mich auch«, sagte sie, ihr fehlten plötzlich die Worte.
Als Abigail sich von ihr löste, wurde Adrias Aufmerksamkeit auf Riaz gelenkt, der Jeans und ein schokoladenbraunes Hemd trug, das er an den Ärmeln aufgerollt hatte, und gerade einen großen Mann umarmte, der so auffällig ähnliche Gesichtszüge hatte, dass sie Vater und Sohn sein mussten. Die einzigen Unterschiede waren die silbernen Fäden in Jorge Delgados schwarzem Haar und die Falten um Augen und Mund, die dem Älteren Tiefe verliehen. »Mein Gott«, platzte es aus ihr heraus, »Riaz wird ja noch schöner, wenn er älter wird.«
Abigails freudiges Lachen trieb Adria eine leichte Röte ins Gesicht, aber Riaz’ Mutter nahm sie fest in den Arm. »Ist schon ein schweres Los, das wir da zu tragen haben, meine Süße.«
Als sie das Zwinkern sah, brach auch Adria in Lachen aus, und die Schmetterlinge flogen auf und davon und ließen die Wölfin überglücklich zurück. Als Riaz sie später am Abend an sich zog, während der Zug durch die dunkle Nacht rollte, war ihr klar, dass das Abendessen ebenso besitzergreifend wie ihr Liebesspiel nach Venedig gewesen war – der einsame Wolf nahm sie auf seine stille und unausweichliche Weise für sich in Anspruch.
Ihr Herz kam aus dem Takt, denn sie war gleichermaßen glücklich und voller Angst.
47
Kaleb war in einer Sackgasse im Medialnet gelandet, doch er zog sich nicht zurück oder versuchte das Gebiet auf andere Weise zu umrunden, sondern untersuchte akribisch jeden Aspekt der Blockade. Es war eine schwarze Wand. Weder Risse noch
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