Einsame Spur (German Edition)
das Bett mit der im Koma Liegenden an die Seite zu schieben, um Platz für verletzte Wölfe zu schaffen. Alice lag noch genauso da wie damals, mit aschfahlem Gesicht und völlig bewegungslos. Um ihr Bett standen drei Frauen, die ihre Stirn in konzentrierte Falten gelegt hatten und letzte Maßnahmen besprachen.
Adria kannte und respektierte Lara. Ashaya Aleine war ihr nach dem Abendessen bei Mercy und Riley ebenfalls vertraut – die wilden Locken waren zu einem festen Knoten im Nacken zusammengebunden, der Kontrast zwischen den blaugrauen Augen und dem dunklen Teint erstaunte Adria noch immer. Der dritten Frau mit den weichen Gesichtszügen, dem honigfarbenen Teint und den Kardinalenaugen war Adria noch nie begegnet, sie wusste aber dennoch sofort, wer sie war.
Sascha Duncan, E-Mediale und Gefährtin des Alphatiers der Leoparden.
Adrias Wölfin fühlte sich unwohl in der Nähe einer Frau, die Gefühle wahrnahm – vor allem, da ihre jetzigen Gefühle zu kompliziert und schmerzhaft waren. Das Zusammenleben mit Riaz war vollkommen anders als das Zusammenleben mit Martin. Riaz war einerseits dominant und arrogant genug, um stets seinen Willen durchsetzen zu wollen, und andererseits so pervers, dass er sich freute, wenn sie ihn anknurrte.
Der Gedankte brachte sie kurz zum Lächeln, doch dann stiegen dunklere Gefühle in ihr auf. Trotz der Erkenntnis, die ihr auf der Blumenwiese in den Bergen gekommen war, zwang sie ein verzweifelter Selbsterhaltungstrieb dazu, ein Stück von sich zurückzuhalten. Nicht, weil sie ihn verletzen wollte … sondern weil sie nicht seine Gefährtin war und niemals sein würde, was auf tiefster Ebene ein Ungleichgewicht in ihrer Beziehung schuf.
Lara hatte aus den Augenwinkeln die beiden Soldaten im Türrahmen wahrgenommen, sah aber nun Ashaya an. »Ja?«
Die Wissenschaftlerin nickte. »Wir haben alles getan, was ohne Injektion möglich war.«
Lara war sich bewusst, dass die M-Mediale sich Sorgen darüber machte, welchen Schaden sie anrichten konnten. »Wenn wir nichts unternehmen, stirbt sie. Ihr Körper wird immer schwächer.«
Ashaya hob rasch den Blick von dem Datenpaneel am Bettende. »Ich hatte dich doch darum gebeten, uns zu informieren, wenn es bergab geht. Wir hätten schneller arbeiten können.«
»Ich habe mit Amara gesprochen«, sagte Lara. Amara war körperlich völlig identisch mit ihrer Zwillingsschwester Ashaya, ihre Gedanken hätten jedoch nicht unterschiedlicher sein können. »Sie meinte, wenn wir ein nicht kalibriertes Serum spritzten, läge die Versagensquote bei siebzig Prozent. Daher habe ich beschlossen, noch zu warten.«
Ashaya griff nach dem Paneel, ihre Handknöchel waren ganz weiß. »Meine Schwester sagt oft das Richtige, verbirgt dabei aber manches. Das weißt du doch. Du hättest dich bei mir vergewissern können.«
»Ich wollte dich in einem so kritischen Stadium nicht stören.« Ashaya selbst hatte Lara gesagt, die Kalibrierung des Mittels würde sehr genaues Arbeiten erfordern – die Wissenschaftlerin hatte sich sogar zwei Tage fern von ihrem Gefährten und dem Sohn in ein eigens für sie errichtetes Labor zurückgezogen.
»Ist ja nicht dramatisch – das Serum war noch nicht fertig.« Ashaya wollte sich mit der Hand durch die Locken fahren, merkte aber auf halbem Wege, dass sie zurückgebunden waren, und ließ die Hand wieder sinken. »Aber wenn du noch einmal Rat brauchst, solltest du wissen, dass meine Schwester zwar sehr klug ist, jedoch keinerlei moralische Richtschnur besitzt.«
Sascha räusperte sich. »Als ich Amara zum ersten Mal traf, mochte ich sie nicht«, sagte sie, offensichtlich immer noch beunruhigt durch das, was sie Lara als überwältigende Abneigung beschrieben hatte. »Selbst jetzt noch verursacht dieser Hohlraum in ihr bei mir eine Kälte, die bis in die Knochen dringt, doch der Raum ist kleiner geworden. Ich glaube nicht, dass sie jemals in den Bereich eines normal fühlenden Individuums kommt, doch sie könnte in der Lage sein, die Gefühle anderer wahrzunehmen.«
In Ashayas Antlitz schienen Schmerz und Hoffnung auf. »Aber du bist dir nicht sicher?«
»Nein, tut mir leid.« Sascha legte ihre Hand auf Ashayas Arm. »Ich reagiere so stark auf sie, dass es mir schwerfällt, einen klaren Blick auf sie zu haben, und sie ist äußerst intelligent, das hast du ja schon gesagt. Sie könnte ihre Reaktionen auch manipulieren.«
Amara war sicher fähig, Empathie vorzugaukeln, dachte Lara.
»Aber«, fügte Sascha hinzu, »ich kann
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