Einsame Spur (German Edition)
an ihn, bis ihr nichts mehr wehtat. Stattdessen ging sie zu dem Geländewagen und sagte: »Ich bin nicht mehr dazu gekommen, den Auftrag ganz durchzulesen.« Drei ihrer Jugendlichen waren ins Büro des Schuldirektors beordert worden – ein Beweis dafür, dass Unterwürfigkeit nicht immer mit gutem Benehmen einherging. Die letzten zwei Stunden hatte sie damit verbracht, herauszubekommen, was vorgefallen war. »Gibt es irgendetwas, was ich über den speziellen Anker oder den Ort wissen müsste?«
»Nein, Standardsituation.« Kurze Pause. »Achtung.« Der Wagen rumste über ein Schlagloch.
Adria beachtete den Ruck gar nicht. Sie zog ein Datenpad aus der Tasche. »Ich schau es mir lieber doch an – bei meinen Jugendlichen schimpfe ich auch immer, wenn sie ihre Hausaufgaben vergessen haben.« Sie konzentrierte sich, und es gelang ihr, den Stoff in sich aufzunehmen, doch als sie sich dann noch die Nachrichten für die erfahrenen Soldaten des Rudels anschauen wollte, merkte sie, dass das unmöglich war. Die Wölfin in ihr achtete nur auf den Mann auf dem Fahrersitz, der ihr nicht gehörte, trotz des unerwarteten, wunderbaren Kampfes, den er ihr lieferte.
»Gestern habe ich Lisette getroffen«, sagte er plötzlich.
Die Zeilen auf dem Datenpad verschwammen vor ihren Augen. »Wie geht es ihr?«
»Sie ist nicht in mich verliebt.« Hart klangen die Worte, machten deutlich, dass er immer noch wütend war, Werbung hin oder her.
Irgendwie berührte es sie noch mehr, dass er sie trotz seiner Aufgebrachtheit immer noch haben wollte und um sie warb.
»Und das ist ausgezeichnet«, fügte er hinzu, »denn ich bin auch nicht in sie verliebt.«
»Gib euch Zeit.« Liebe und das Paarungsband waren bei jedem Paar, das sie kannte, untrennbar miteinander verbunden – sie würde nicht so dumm sein, anzunehmen, dass ausgerechnet sie beide eine Ausnahme dieser Regel sein sollten.
»Mein Gott, was bist du stur.« Ein leises Knurren. »Ich muss masochistisch veranlagt sein, dass ich gerade das so an dir liebe.«
Ihre Wölfin fletschte die Zähne, sie war bezaubert, aber davon würde sie sich nicht beeinflussen lassen. »Je mehr du mich kennenlernst, desto schlimmer werde ich. Du bist also noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen.«
Jetzt war sein Lächeln richtig wild. »Ich denke nicht an Flucht – und falls du es noch nicht bemerkt hast, dich lasse ich auch nicht davonkommen.«
Er hielt in der Auffahrt eines kleinen Hauses in Presidio; der Grundstücksgröße nach zu urteilen, musste es eine ordentliche Stange Geld gekostet haben.
Adria stieg aus und stand Riaz vor dem Wagen gegenüber. Er hielt sie am Oberarm fest, als sie an ihm vorbeigehen wollte. Sie zuckte bei der Berührung zusammen, es war wie ein elektrischer Schlag. »Ich werde nicht gehen«, sagte er leise, sie spürte seinen Atem an ihren Lippen. »Und ich werde auch meine Meinung nicht ändern. Gewöhn dich also daran.«
Ein Hoffnungsschimmer leuchtete zart in ihr auf, und sie hatte nicht die Kraft, die kleine Flamme auszutreten. »Wir müssen jetzt an die Arbeit.« Ganz pragmatisch, doch die Verletzlichkeit in ihrer Stimme bereitete ihr Angst – vor allem weil Riaz’ Augen golden aufleuchteten, denn er hatte es auch bemerkt.
Sienna blieb auf einem Felsvorsprung stehen und sah hinunter. Es war die zweite Nacht, in der sie Routinewache an den Außengrenzen des Reviers hatte – wobei Riley nach wie vor streng darauf achtete, dass kein Muster in ihren Schichten zu erkennen war –, doch es störte sie nicht. Denn sie stand zu dem, was sie Hawke gesagt hatte, sah es als ihren Beitrag an, dem Rudel zu helfen.
»Die Wache für die Anker ist auch nicht spannender«, hatte Riordan heute Abend erst gesagt, als er zur Unterstützung zweier erfahrener Soldaten aufgebrochen war. Rekruten wurden nicht als Hauptwachen eingesetzt. »Meist sitzen sie nur da und arbeiten oder lesen etwas, manchmal schlafen sie auch.«
»Maria hat mir erzählt, dass es eine nette Geschichte über deinen ersten Anker gibt.«
»Oh ja, sie hat mich die ganze Zeit angesehen, als würde sie darauf warten, dass mir Reißzähne wachsen und ich sie fresse. Ich konnte nicht anders und hab mich schließlich mit einer Kralle an der Nase gekratzt. Ihr sind fast die Augen aus dem Kopf gefallen.«
Sienna lächelte in sich hinein und fragte sich, ob Mediale wohl auch einer anderen Gattung ihre Hilfe angeboten hätten. Früher hätte sie die Frage sicher verneint. Doch heute … Nikita Duncan und
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