Einsame Spur (German Edition)
hatte.
Riaz sagte auch nichts.
Er schlich nur noch einmal in ihr Zimmer und brachte die Karten an derselben Stelle an. Auf der Kommode hinterließ er eine in Geschenkpapier eingewickelte Schachtel. Sie konnte nicht widerstehen, riss das Papier herunter und fand ein nagelneues Werkzeugset samt einem violetten Hammer mit Gravur. Ihre Wölfin war so bezaubert, dass sie einen Augenblick brauchte, um zu begreifen, was er getan hatte.
In den Stiel war der Name der Besitzerin eingraviert – Adria Delgado.
»Ach, Riaz«, flüsterte sie. »Was richtest du nur in mir an?«
63
Kaleb wusste, dass ihn die Gardisten heimlich beschatteten, doch er hatte schon vor langer Zeit die Fähigkeit entwickelt, sich im Medialnet vollkommen unbemerkt zu bewegen. Und das wollte er nun wieder tun. Er war seinem Ziel zu nah, als dass er Hindernisse oder Verzögerungen in Kauf nehmen wollte.
Wer immer ihn aufhalten wollte, würde nur zu bald entdecken, dass er im Gegensatz zu manch anderem seiner Vorgänger im Rat nicht davor zurückschreckte, Blut an den Händen zu haben.
64
Äußerst zufrieden, weil er Adria dazu gebracht hatte, mit ihm zu spielen, selbst wenn sie das vielleicht anders empfand, machte sich Riaz am nächsten Morgen auf den Weg zu Dalton. Hawke hatte ihn auf eine gute Idee gebracht – der Bibliothekar hatte die Geschichte des Rudels im Kopf und kannte vielleicht ähnliche Situationen oder hatte Informationen, die Riaz dabei helfen konnten, Adria davon zu überzeugen, dass ihre Beziehung ehrlich und richtig war. Er würde sich jede Unterstützung holen, die er bekommen konnte, um seine Kaiserin wieder in den Armen zu halten.
Als er vor Daltons Studierstube stand, fand er an der Tür die Nachricht, dass er in seinem »Büro am See« zu finden sei. Lächelnd lief Riaz zum See, der ihrer Höhle am nächsten lag, denn er wusste, dass Laras Großvater dort gerne saß, nicht direkt am Steinufer, sondern im Gras unter einer Eiche mit dichtem Blätterdach.
»Wir sind gleich alt«, hatte er Riaz einst erklärt und den Stamm der Eiche getätschelt. »Doch ich befürchte, sie wird mich überleben.«
Nun richteten sich die fuchsbraunen Augen auf Riaz, als dieser zwischen den Bäumen auftauchte. »Da bist du ja«, sagte der Bibliothekar, als hätte er den Besuch erwartet. »Komm, setz dich zu mir, Mr Delgado.«
Riaz’ Wolf richtete sich auf, die Erinnerung an hundert Kinderstreiche wurde lebendig. »Unsere Nachnamen hast du immer nur benutzt, wenn wir in Schwierigkeiten waren.«
Daltons dunkle Haut strahlte Wärme aus, in seinen Augen tanzten Funken. »Du hast genau denselben Blick wie damals«, sagte er. »Was hast du angestellt, mein Junge?«
Riaz setzte sich neben ihn und beichtete alles; wenn er wollte, dass Dalton verstand, worum es ging, durfte er ihm nichts vorenthalten. Als Riaz schwieg, seufzte Dalton und wandte seine Aufmerksamkeit unvermittelt dem See zu. »Schau dir das an, so unglaublich glatt, nur ein Hauch von Wellen.«
»Heute Morgen weht nur ein leichter Wind.«
Dalton sagte eine ganze Weile nichts, wenn man nicht an seiner Seite aufgewachsen war, hätte man denken können, er sei eingeschlafen. Doch Riaz wusste es besser, der weißhaarige Alte sah viel mit den leuchtenden Augen, die seine Enkelin von ihm geerbt hatte.
»Die Territorialkriege waren ein Sturm«, sagte Dalton schließlich. »Türmten haushohe Wellen auf und zerschmetterten alles.«
Auch die Regeln für Werbung und Paarung, dachte Riaz voller Hoffnung.
»Berichte aus dieser Zeit sind höchst bruchstückhaft«, fuhr Dalton fort. »Viele Bibliothekare starben während der Kämpfe, andere entschieden sich, ganz neu zu beginnen, als die Nachkriegsrudel sich formierten.«
Riaz erinnerte sich an die Geschichtsstunden in seiner Jugend. Dezimiert durch das Blutvergießen hatten sich im ganzen Land neue Rudel unter neuen Namen gebildet als Zeichen der veränderten Zusammensetzung. »Dann sind also viele Berichte über die Kriege vernichtet worden?« Trotz seiner Enttäuschung verstand Riaz das Bedürfnis der Überlebenden, den Schrecken der Vergangenheit hinter sich zu lassen – vor allem wenn in den neuen Rudeln ehemals erbitterte Feinde Gefährten geworden waren.
»So ist es.« Dalton legte die Hand mitfühlend auf Riaz’ Schulter. »Doch einige waren wie ich der Meinung, dass die Vergangenheit nicht vergessen werden sollte, auch wenn nur der Bibliothekar allein die Wahrheit kannte. Die Berichte gibt es also noch, nur in anderer Form.« Mit
Weitere Kostenlose Bücher