Einsame Spur (German Edition)
Bergen einteilen lassen, die sonst nur die einsamen Wölfe gerne antraten. Der Soldat, den sie abgelöst hatte, war geradezu euphorisch und übernahm mit Freuden ihre Stelle bei der Überwachung der Anker.
Riaz wusste, dass sie nur deswegen keinen längeren Zeitraum gewählt hatte, weil sie ihre Jugendlichen nicht zu lange allein lassen wollte. Sie hatte zwei Extrasitzungen mit Drew für sie organisiert, dem einzigen dominanten Gefährten, der selbst die sanftesten Unterwürfigen nicht beschämte. Und sie hatte ein Satellitentelefon dabei, falls die Jugendlichen ihre Unterstützung brauchten. Sicher würde sie auch jeden anderen Anruf entgegennehmen, ausgenommen den von Riaz. Sein Wolf knurrte, doch er nahm sich Zeit, denn wenn er ihr nachsetzte, würde er nicht ohne sie zurückkehren. Zuerst musste er sich um etwas anderes kümmern, an dem er schon heimlich gearbeitet hatte. Da er weiterhin Wachschichten für Anker hatte und auch seine Aufgaben als verantwortlicher Offizier für internationale Geschäfte wahrnahm, brauchte er einen ganzen Tag, bis er alles geordnet hatte.
Erst am folgenden Morgen fuhr er nach San Francisco.
Lisette öffnete mit einem Lächeln die Tür ihres Hotelzimmers. »Das ist aber eine nette Überraschung.«
»Wir müssen miteinander reden.« Es war höchste Zeit. »Über uns.«
Ihr Lächeln verschwand. »Ich habe etwas gespürt, als wir uns das erste Mal begegneten, Riaz, aber –«
Er verschloss ihr die Lippen mit dem Zeigefinger, spürte zärtliche Zuneigung für eine Freundin, die er sehr schätzte. »Ich weiß, ich liebe dich ja auch nicht.« So einfach war es also, trotz des Paarungsbands, das ihn mit Lisette verbinden wollte. Sein Herz, das Herz des einsamen Wolfs, gehörte ausschließlich und unwiderruflich der sturen Frau mit den tiefvioletten Augen, die er in den Bergen jagen würde. Keine denkbare Zukunft leuchtete so hell wie das Glück, das Mann und Wolf in Adrias Gegenwart empfanden.
»Das ist gut.« Lisette Lachen klang traurig. »Denn ich bin dummerweise in einen Mann verliebt, der mich nicht will.«
Riaz trat ins Zimmer, schloss die Tür und zog Lisette ans Fenster, das auf den Parkplatz und eine ruhige Straße hinauswies. »Du bist gekränkt.«
Lisette klammerte sich an seine Hand. »Fuchsteufelswild beschreibt es besser. Ich habe Emil verlassen, aber er müsste doch um mich kämpfen! Wie konnte er mich nur gehen lassen?«
»Sieh nach unten.« Er schob den Vorhang beiseite.
Lisettes Atem war wie ein Hauch, als sie den schlanken blonden Mann neben dem silbernen Mietwagen stehen sah. »Du hast ihn angerufen?«
»Er ist seit deiner Ankunft in der Stadt.« Emil war ein guter Mann, der seine Frau so sehr liebte, dass er sie freigeben wollte, als bei ihm ein seltener genetischer Defekt diagnostiziert worden war, der über Jahre hinaus lange Krankenhausaufenthalte zur Folge haben konnte und schmerzhafte Therapien, die auch Lisette in Mitleidenschaft ziehen würden. Doch er konnte nicht ohne sie sein und war ihr über das Meer gefolgt, um auf sie achtzugeben. »Er liebt dich.«
»Er hat mir die Scheidungspapiere geschickt!« Zornig ballte Lisette die Fäuste … konnte aber den Blick nicht von ihrem Mann abwenden.
»Sei nachsichtig mit ihm. Er war verwirrt.« Riaz hatte Emil aufgespürt, um ihm den Kopf zurechtzurücken und ihm deutlich zu machen, wie sehr er Lisette mit seinem Verhalten verletzt hatte. Doch Emil hatte sich längst entschlossen, seine Frau zurückzugewinnen und auf die Kraft ihrer Beziehung zu vertrauen, um das Kommende gemeinsam durchzustehen.
»Als ich heute mit ihm gesprochen habe«, fuhr Riaz fort, »war er drauf und dran, hier heraufzustürmen, doch er war einverstanden, dass ich vorher kurz mit dir spreche.« Weil Riaz ihm versprochen hatte, Lisette zu besänftigen – Emil hatte bis zu diesem Moment gar nicht gewusst, dass sie überhaupt aufgebracht über ihn war.
»Ha!« Lisette trat mit dem pfirsichfarbenen Pumps gegen die Wand und versuchte gleichzeitig, das verschlossene Fenster aufzureißen. »Er denkt wohl, er braucht bloß aufzutauchen, um mich zurückzugewinnen?« Maschinengewehrartig ratterten französische Flüche aus ihrem Mund, als sie ihre Versuche mit dem Fenster aufgab, wütend zur Tür stakste, sie mit so viel Schwung aufriss, dass sie gegen die Wand flog, und dann hinausrannte.
Emil hatte nicht den Hoteleingang im Blickfeld gehabt, doch als Lisette herausstürmte, wandte er sich sofort um. Mit strahlendem Gesicht breitete er
Weitere Kostenlose Bücher