Einsame Spur (German Edition)
ernüchternden Einsicht, was aus ihm geworden war: ein verbitterter, zorniger Mann voller Neid.
So wollte er nicht sein, so war er auch nie gewesen. Ebenso wenig hatte er je daran Gefallen gefunden, eine Frau zu verletzen.
Adrias faszinierende Augen, die eiskalte Wut, ihr Hüftschwung, als sie fortgegangen war.
O Gott, er hatte sich wie ein Narr benommen. Bleischwer drückte ihn die Beschämung nieder. Es gab keine Entschuldigung dafür, wie er sie behandelt hatte, wozu er sie hatte missbrauchen wollen. Adria hatte vollkommen recht. Sie verdiente etwas Besseres als einen Mann, der dem Zorn über ein ungnädiges Schicksal freie Bahn gelassen hatte, bis er selbst nicht mehr wusste, wer er war. Sein ehemals stolzer Wolf senkte den Kopf und ließ den Schwanz hängen; doch Mann und Wolf wussten auch, dass stille Reue nicht genug war. Der Mann, der er sein wollte und der er vor der Begegnung mit Lisette auch gewesen war, gab niemand anderem die Schuld für seine Fehler, sondern stellte sich ihnen.
Als ihn die ersten goldenen Strahlen der Sonne berührten, konnten sie das Eis in seinem Herzen nicht schmelzen.
21
Ming betrachtete die Satellitenbilder des kalten Feuers von Sienna Lauren. Obwohl es stockdunkel in der Nacht der Schlacht gewesen war, mangelte es nicht an Licht, denn die rotgelben Flammen loderten wie ein Inferno.
Er legte die Bilder beiseite und nahm die Aufnahmen zur Hand, die nach der Schlacht gemacht worden waren. Wo früher ein Wald gestanden hatte, erstreckte sich nur eine einzige öde Fläche. Nicht das Geringste war von der Armee der Makellosen Medialen übrig geblieben.
Eine unglaubliche Waffe.
Zuerst war er sicher gewesen, dass man sie zerstören müsste, falls sie überlebt hätte, denn Sienna konnte man nicht kontrollieren. Es sei denn … Er sah zu dem kleinen Stahlkasten auf seinem Schreibtisch. Darin lag ein einziger Chip, der letzte Prototyp des abgebrochenen Projekts von Ashaya Aleine, mit dem man Silentium biologisch verankern wollte.
Damit könnte man so jemanden an die Leine legen.
Allerdings gab es nach wie vor zwei Probleme bei der Anwendung: Erstens funktionierte der Chip nicht vollkommen zuverlässig, und zweitens würde sich Ming einen Kontrollchip implantieren lassen müssen, um Zugriff auf Siennas Chip zu haben. Selbst wenn er das Risiko akzeptabel gefunden hätte, gab es seiner Kenntnis nach eben nur den einen verbleibenden Chip. Und dieser stammte aus dem Kopf eines Mannes, der Selbstmord begangen hatte, nachdem die Scotts ihm den Chip hatten implantieren lassen. Weder Henry noch Shoshanna hatten je erfahren, dass er von den unerlaubten Experimenten wusste. Mings Wissenschaftler hatten den Chip nicht nachbauen können, doch einer von ihnen hatte ihm gerade mitgeteilt, es gebe eine geringe Möglichkeit, den Chip so zu verändern, dass er per Fernbedienung gesteuert werden könnte.
»Versuchen Sie es«, befahl er.
Falls es funktionierte, würde ihm eine X-Mediale gehören. Falls es schiefging, würde Sienna Laurens Gehirn implodieren.
Eine perfekte Lösung.
22
Adria hatte die Nachricht erhalten, dass der ranghöchste Offizier sie sehen wollte, deshalb klopfte sie drei Tage nach dem Fest an Rileys Bürotür. Er telefonierte und winkte sie herein. »Setz dich«, sagte er. »Bin gleich fertig.«
Sie sah sich im Büro um. Genau so etwas hatte sie erwartet – und auch wieder nicht. Ordentlich und sauber war es, nichts lag herum. Das passte zu dem grundsoliden, ruhigen Charakter des Offiziers. Was allerdings überhaupt nicht zu ihm passte, war das gerahmte Poster hinter dem Schreibtisch – ein buntes Kaleidoskop aus nackter Haut und Federn, ein Bild vom Karneval in Rio.
Aber vielleicht passte es doch, dachte sie und lächelte still in sich hinein. Schließlich hatte der pragmatische und einfühlsame Riley Rudelregeln gebrochen, um eine Leopardenwächterin zur Gefährtin zu nehmen. Niemand war eindimensional … nicht einmal der zornige Mann, dessen Hände so heiß und rau auf ihrem Körper gelegen hatten. »Warst du dort«, fragte sie Riley, als er aufgelegt hatte, und schob die Erinnerungen schnell zur Seite, bevor sie wieder von ihnen aus der Bahn geworfen wurde.
Riley folgte ihrem Blick zu dem Poster und nickte. »Hab’s auch überlebt.« Sein Lächeln sprach Bände. »Wie war deine Schicht an der äußeren Grenze? Du bist doch heute Morgen zurückgekommen?«
»War ganz gut. Friedlich.« Am Nachmittag nach dem Fest war sie aufgebrochen und hatte einen der Leoparden
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