Einsame Spur (German Edition)
das denn etwas ausmachen?«, war die trockene Antwort.
»Vielleicht wollt ihr ja ein geheimes Ritual abziehen.«
»Nackt ums Feuer tanzen, oder was?« Inés hob eine Augenbraue. »Meine Güte.«
Mit einem Lächeln, bei dem sich alle Grübchen zeigten, lehnte sich Sam an den Baumstamm und legte den Arm kameradschaftlich über Adrias Knie. »Schön. Dann bleibe ich, bis mich jemand rauswirft.«
Da Sam es nun angesprochen hatte, fiel es auch Adria auf, dass er der einzige Soldat mit einem niedrigen Rang war. Aber Inés hatte ihn doch extra eingeladen … Hm. Sie warf der Soldatin einen fragenden Blick zu. Inés zwinkerte zurück. Adria verbiss sich ein Lächeln, nach der heftigen Begegnung mit Riaz hatte sie nicht erwartete, sich plötzlich so wohl zu fühlen.
Sie umklammerte den Kaffeebecher, ihre Haut brannte. Nein, schwor sie sich schweigend, als ihr Kopf zu dem Wahnsinn zurückkehren wollte, der sie fast den Selbstrespekt gekostet hatte. Sie atmete tief durch und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die sanften Gefühle in sich und die Leute, die ihr emotionales Gleichgewicht sicherten.
Das waren die Kameraden, die Gefährten, mit denen sie in den kommenden Monaten eng zusammenarbeiten würde. Sie waren ihr zwar noch fremd, aber die Stimmung in der Gruppe war angenehm. Ausgeglichen und stabil, waren die erfahrenen Soldaten die Arbeitspferde des Rudels, auf die man sich verlassen konnte, wenn etwas zu erledigen war.
Inés könnte eine gute Freundin werden – die leichtfüßige Frau hatte einen ausgeprägten Sinn für Humor, der Adrias Wölfin zum Lachen brachte.
Kaum hatte sie das gedacht, sagte Inés plötzlich: »Simran und ich sehen uns einmal im Monat schlechte Filme an.« Sie reckte das Kinn zu einer eher scheuen Soldatin, die gerade mit Brody sprach. »Wenn du magst, kannst du gern dabei sein.«
Adrias Wölfin streckte sich wohlig. »Gerne, danke.«
»Bin ich auch eingeladen?«, schaltete sich Sam ein. »Oder wollt ihr mich einfach übergehen, obwohl ich direkt hier neben euch sitze?«
»Letzteres«, antwortete Inés blitzschnell.
»Es bricht mir das Herz.«
»Meins blutet auch schon.«
»Du bist grausam.«
»Warte erst mal, bis ich richtig loslege.«
Elias stand auf und klatschte in die Hände. Als alle ihn aufmerksam ansahen, sagte er mit ernstem Gesicht: »Zeit für das geheime Ritual.«
20
Sam kicherte, wurde aber sofort ernst, als er merkte, dass die anderen ihn nur nachsichtig ansahen. »Ähh, tut mir leid.«
Adria musste sich so zusammenreißen, nicht in lautes Gelächter auszubrechen, dass sie einen Hustenanfall vortäuschte. Eine ganze Reihe von Gefährten schien unter denselben Beschwerden zu leiden. Inés rettete die Situation, indem sie Adria auf den Rücken klopfte. »Muss an den Pollen liegen«, murmelte sie in vorgetäuschtem Mitgefühl.
Adria hätte sie am liebsten getreten, wenn Sam nicht direkt vor ihr gesessen hätte.
»Wie schon gesagt, es ist an der Zeit für das Ritual«, fuhr Elias fort. In seinem vollen braunen Haar glitzerte eine einzelne weiße Strähne. »Aber da sich unter uns ein Eindringling befindet, müssen wir uns zuerst mit ihm befassen.«
Sam erhob sich und klopfte etwas Erde von seinen Jeans. »Hört mal, wenn ihr wollt, kann ich –«
Elias hob Schweigen gebietend die Hand und trat vor Sam.
»Sam Baker«, sagte er mit todernstem Gesicht, »wie wir von Zeugen erfuhren, die zu dem Zeitpunkt noch nicht bewusstlos waren, hast du dich immer wieder in das Schlachtgetümmel gestürzt, um verletzte Gefährten zu retten, obwohl du selbst eine Kugel abbekommen hattest.«
»Das hätte doch jeder von euch getan«, sagte Sam leise, der übermütige Mann in ihm war verschwunden und hatte dem mutigen Soldaten Platz gemacht, der, selbst umgeben von Blut und Schmerz und angesichts eines Feinds, der keine Gnade kannte, mit aller Kraft weitergekämpft hatte.
»Stimmt«, sagte Elias und heftete etwas an Sams graues Hemd. »Und wir sind stolz, dich als einen von uns betrachten zu können.«
Da begriff Sam. Seine Finger zitterten, als er den kleinen silbernen Wolf an seinem Hemdkragen berührte. Im Alltag trug niemand von ihnen die Abzeichen, heute aber schon – Adria hat ihres ans Armband gesteckt, da es am leichten Stoff des Tops nicht gut gehalten hätte. Das kleine Emblem machte jeden von ihnen enorm stolz, denn es zeigte nicht nur, dass sie vom einfachen Soldaten in den Rang eines erfahrenen Soldaten aufgestiegen waren, sondern darüber hinaus, dass die Stellung im
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