Einsame Spur (German Edition)
verspürt, bevor das Netzwerk der Anker die Einflusssphären neu organisiert und die Lücke geschlossen hatte.
Ein Todesfall allein dünnte das Netzwerk noch nicht aus, doch jeder Verlust eines Ankers war Anlass zur Sorge. Nur jemand mit telekinetischen Fähigkeiten konnte einen Unfall verhindern, der mutmaßlich durch einen kurzen Moment der Unachtsamkeit passiert war.
»Kann man den Berichten vom Tatort trauen?«, fragte Kaleb Aden.
»Vasic und ich haben zusammen alles noch einmal überprüft und nichts Ungewöhnliches gefunden. Auch die Überwachungsvideos der privaten Sicherheitsfirma sind sauber. Theoretisch könnte natürlich ein telekinetischer Teleporter kurz aufgetaucht sein und ›nachgeholfen‹ haben, aber warum sollte man einen Anker töten?« Das war die entscheidende Frage. »Anker haben keine politische Macht, ihr Tod schwächt nur das Medialnet.«
Und unabhängig von politischen Ansichten brauchte jeder Mediale das Biofeedback des geistigen Netzwerks. Kappte man ihre Verbindung zum Medialnet, starben die Angehörigen ihrer Gattung eines schnellen und äußerst schmerzhaften Todes.
»Nicht-Mediale?«, schlug Kaleb vor.
»Der Eindringling kann nur ein TK -Medialer gewesen sein. Keine andere Kategorie hätte das Sicherheitssystem überlisten können.«
Kaleb sah Aden in die Augen. »Judd Lauren ist ein TK -Medialer außerhalb des Medialnet.« Es gab viele Gründe, diesen Umstand jetzt zu erwähnen.
»Judd hat aber auch eine emotionale Bindung zu seiner Familie«, stellte Aden fest. »Vernünftigerweise muss man annehmen, dass er den Jüngsten im Medialnet keinen Schaden zufügen will, und niemand hat eine Kontrolle über das, was passiert, wenn ein Anker stirbt.«
Kaleb wog die Faktoren ab und nickte. »Selbst die Wichtigsten sind vor Unfällen nicht gefeit«, sagte er und sah sich die Verletzungen des Mannes im mittleren Alter noch einmal an. »Doch ich mag keine offenen Fragen. Überprüft noch einmal alles und vergewissert euch, dass kein Irrtum vorliegt.«
Aden sagte nichts, doch Kaleb wusste auch so, dass er den Auftrag erledigen würde. Er hatte eine Übereinkunft mit der Garde – machte aber nicht den Fehler, zu glauben, er hätte ihre uneingeschränkte Unterstützung. Die tödlichste Streitkraft im Medialnet war noch dabei, sich über ihn ein Urteil zu bilden. Ihr war bloß nicht klar, dass auch Kaleb sie abschätzte, und sie würde auch nie erraten, welches Ziel er damit verfolgte.
29
Riaz drückte die Stirn an die Wand der Dusche und ließ Wasser, Schweiß und Grasflecken an sich herablaufen – die Erinnerungen an die Leidenschaft, die er gerade erlebt hatte, wurden aber nicht hinweggespült … ebenso wenig das Bild der sinnlichen Frau, nach deren Küssen er sich jetzt schon wieder verzehrte.
Scham, Zorn und Sehnsucht kämpften in ihm. Der Gedanke, mit einer anderen Frau zusammen zu sein, nachdem er die ihm bestimmte Gefährtin getroffen hatte, richtete sich gegen alles, woran er jemals geglaubt hatte. Mann und Wolf waren völlig verwirrt und verloren. Aber nicht nur deswegen fühlte er sich so mies – denn ganz egal, was Adria beteuert hatte, so schlecht wie bei ihrer ersten Vereinigung behandelte er Frauen sonst nicht. Es beschämte ihn immer noch, dass er so wenig Rücksicht auf sie genommen hatte.
Ein Bild tauchte vor seinem inneren Auge auf: Adrias Haar fiel wie ein seidiger Wasserfall auf ihn, als sie sich vorbeugte, an seiner Unterlippe saugte und schließlich hineinbiss. »Keine Schuldgefühle mehr.« Ein heiserer Befehl. »Ich hatte das genauso nötig wie du. Jetzt können wir es langsamer angehen.«
Er stellte das Wasser auf eiskalt. Sein Schwanz hatte sofort reagiert, als er im Kopf durchspielte, wie langsam sie es angegangen waren. Riaz biss die Zähne zusammen, bis sein Wolf aufheulte. Als die Haut blau wurde, stieg er aus der Dusche, trocknete sich ab und zog eine ausgeblichene Jeans an, die am linken Knie schon fadenscheinig wurde. Weißes T-Shirt und Socken – fertig. Er kämmte sich das Haar und fuhr sich übers Kinn. Harte Bartstoppeln, doch da es schon zu spät für Adrias empfindliche Haut war, zuckte er nur die Achseln und ging hinaus.
In dem kleinen Büro, das man ihm zugewiesen hatte, nahm er sich die Papiere vor, um deren Durchsicht Pierce ihn gebeten hatte. Es war erst halb acht, das Abendessen würde er sich später in der Küche holen.
Doch kurz darauf steckte Riley den Kopf durch die Tür. »Abendessen bei mir.«
Riaz war in die Höhle
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