Einsame Spur (German Edition)
entführen. Bo und seine Leute hatten sich damals gegen dieses Vorhaben gestellt und den vollkommen schwachsinnigen Fehler begangen, einen jungen Leoparden zu entführen, um ihn zu schützen und die beiden Rudel auf sich aufmerksam zu machen. »Es ging dabei auch um einen gewissen Bowen und seine Truppe.«
»Genau.« Adria trank noch einen Schluck Kaffee. »Alle älteren Soldaten waren eingeweiht. Wir haben gemeinsam mit den Raubkatzen versucht, eine funktionierende Basis für eine Zusammenarbeit herzustellen.«
»War nicht einfach«, gab Riaz zu, »aber wir mussten einen Weg finden.« Die Geschäfte des Menschenbundes hatten nach den Ereignissen in San Francisco einen herben Rückschlag hinnehmen müssen, waren daraus jedoch gestärkt hervorgegangen, genau wie Hawke vorhergesagt hatte,
Gestaltwandler haben Rudel, hatte der Leitwolf gesagt. Der Menschenbund ist ein Äquivalent dieser Gattung – er vertritt sie nicht nur, sondern ist mächtig genug, dass die Leute ihm Aufmerksamkeit zollen.
Deshalb durfte man ihn nicht ignorieren, obwohl die Menschen als schwächster Teil des Dreigestirns galten, das die Erde bevölkerte.
»Brechen sie die Vereinbarungen?«, fragte Adria. »Wildern sie in unserem Revier?«
»Nein, aber sie sind in Morde im Mittelmeer verwickelt.« Er stieß sich von der Wand ab, hatte eine Entscheidung gefällt. »Ich werde Bowen anrufen. Willst du zuhören?«
Von Gold durchzogene tiefviolette Augen strahlten. »Ja, gerne.«
Nachdem sie ausgetrunken und die Becher abgewaschen hatten, machten sie sich auf den Weg in das Videokonferenzzimmer. »Verfügt der Menschenbund über Leute, die eine solche Operation so sauber und schnell durchziehen können?«, fragte Adria, als Riaz ihr die Fakten berichtet hatte.
»Bo wäre dazu in der Lage. Er war bei verdeckten Operationen des Menschenbunds beteiligt, bevor ihm klarwurde, dass er die Ziele der damaligen Führung nicht mehr unterstützen konnte.« Sie hatten ebenso kalt und gewalttätig wie die Medialen agiert. »Falls wirklich der Menschenbund dahintersteckt, interessiert mich vor allem, warum sie es getan haben.«
Adria sah ihn mit erhobener Augenbraue an.
»Bo hat viel Aufwand betrieben, um den guten Ruf des Menschenbunds wiederherzustellen«, erklärte Riaz.
»Und wenn eine solche Gewalttat ruchbar würde, würden bei allen zu viele hässliche Erinnerungen hochkommen«, murmelte Adria.
Riaz schloss die Tür hinter ihnen. »Suche dir einen Platz, wo die Kamera dich nicht erfasst«, sagte er und gestattete sich, ihren geheimnisvollen Duft ganz in sich aufzunehmen. »Ich brauche dich als zweites Paar Ohren und Augen – Bo ist ziemlich gut darin, nur gerade so viel preiszugeben, wie ihm lieb ist.«
Von einem Stuhl, der ihr gute Sicht auf den Monitor bot, beobachtete Adria, wie Riaz wählte. Er saß mit dem Rücken zu ihr, und sie nutzte die Gelegenheit, ihn sich genüsslich anzuschauen. Unweigerlich wandten sich ihre Augen dabei der linken Schulter zu, wo das T-Shirt die gezackte Tätowierung verbarg. Sie mochte die schwarzen Zeichen auf seiner Haut ebenso wie seinen muskulösen Körper und die Art, wie er sich in ihr bewegte.
Es fiel ihr nicht schwer zu begreifen, was für sie so faszinierend an ihm war.
Doch obwohl er unzweifelhaft sexy und gut aussehend war, sah ihre Wölfin noch etwas anderes. Sie wurde von seiner Kraft angezogen, von der Leichtigkeit, die er mit sich selbst – und mit ihr hatte. Riaz machte es nichts aus, wenn sie beim Sex die Beherrschung verlor und ihn bis aufs Blut kratzte, ihm war es auch egal, wenn sie zeitweise die Führung übernahm. Als sie während der Schlacht mit den Makellosen Medialen Seite an Seite gekämpft hatten, hatte er mitten im Chaos mit kühlem Kopf Befehle gegeben. Dafür respektierte ihn die Soldatin, und die Frau hielt es für einen weiteren interessanten Aspekt seiner Persönlichkeit.
Allerdings konnte sie sich auch vorstellen, dass er eine Frau in einer Beziehung zum Wahnsinn treiben konnte. Er war nicht nur ein dominanter Raubtiergestaltwandler und Offizier, sondern auch ein einsamer Wolf. Geradezu legendär waren die unglaubliche Besitzgier und der wahnsinnige Beschützerinstinkt, den ein einsamer Wolf bezüglich der Frau entwickelte, die er als sein Eigen betrachtete – ganz im Gegensatz zu einer, mit der er sich auf eine Freundschaft auf der Basis gemeinsamer heftiger Bedürfnisse … und Schmerzen geeinigt hatte.
»Noch zwei Sekunden«, sagte Riaz und sah ihr in die Augen.
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