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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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tiefem, optimistischem Ernst in sich aufzunehmen. Alles ist interessant, alles ist es wert, notiert zu werden, und wenn es nur so ein schmutziger alter Mann ist, der am Straßenrand steht und seine noch schmutzigere Sau mit einem Besenstiel schlägt.
    Tomas ist, wie er ist, ich habe keine Lust, Worte über ihn zu verlieren.
    Ich sehne mich nach dem Meer, aber momentan ist es verdammt weit weg. Tomas behauptet, dass wir drei oder vier Tage brauchen, um durch Rumänien bis ans Schwarze Meer zu gelangen. Aber bei der Geschwindigkeit, die wir momentan draufhaben, gehe ich eher davon aus, dass es eine Woche dauern wird. Aber vielleicht entschließen wir uns ja, eine Nacht mal durchzufahren, ich habe das schon vorgeschlagen, aber bisher noch kein Gehör gefunden. Germund und Tomas können sich ja hinter dem Steuer ablösen, aber aus irgendeinem Grund beharrt Tomas darauf, dass wir es nicht eilig haben. Er plant ja solche Reisen fürs nächste Jahr mit richtigen Reisenden, aber man kann doch die Leute nicht dafür bezahlen lassen, dass man hinter heruntergekommenen landwirtschaftlichen Maschinen durch das sozialistische Paradies Rumänien tuckert. Ich finde, er sollte sich mit den Paradiesen begnügen, die wir bereits abgehakt haben: Polen, Tschechoslowakei, Ungarn und Jugoslawien. Wenn man darauf aus ist, den Ostblock zu studieren, ist das mehr als ausreichend.
    Morgen soll ich meine Tage kriegen, allein deshalb kann mir die gesamte Menschheit gestohlen bleiben.
    Nur noch eine Geschichte mit Germund, bevor ich schließe.
    Es war gestern Abend. Wir waren hinter unserer Gardine schlafen gegangen, und er fragte, ob ich Lust hätte zu vögeln. Ich sagte, dass ich bald meine Tage kriege, und schlug vor, es zu verschieben.
    »Okay«, sagte Germund. »Dann lese ich stattdessen.«
    »Tu das«, sagte ich, »ich denke, ich werde gleich schlafen.«
    Doch bevor ich einschlief, kam mir ein Gedanke. »Das mit dem Tod deiner Eltern«, sagte ich, »da gibt es doch etwas, was du zurückhältst, nicht wahr?«
    Ich weiß nicht, wieso ich fragte, es kam mir einfach in den Sinn.
    »Was meinst du damit?«, fragte Germund.
    »Ich meine genau das, was ich sage«, erklärte ich. »Ich habe das Gefühl, dass es da etwas gibt, was du nicht erzählt hast.«
    Er schlug das Buch zu, das er gerade erst aufgeschlagen hatte. Drehte sich auf den Rücken, verschränkte die Hände im Nacken, und so blieb er sicher eine Minute lang liegen und starrte an die Busdecke. Ohne einen Ton zu sagen, aber es war seiner Atmung anzuhören, dass er angestrengt nachdachte. Ich lag auch schweigend da und dachte, entweder es kommt jetzt oder eben nicht. Schließlich seufzte er tief und sagte:
    »Das stimmt. Aber ich kann dir nicht erzählen, was es ist.«
    »Nicht einmal mir?«, fragte ich.
    »Nicht einmal dir«, bestätigte Germund. »Zumindest jetzt noch nicht.«
    »Das sehe ich als ein Versprechen für die Zukunft an«, sagte ich.
    »Sieh es, wie du willst«, sagte Germund. »Gibt es sonst noch etwas, was du wissen möchtest?«
    »Nein«, sagte ich. »Sonst ist da nichts.«
    »Gut«, sagte Germund und schlug sein Buch wieder auf.

38
    Vernehmung von Elisabeth Katarina Martinsson (EM) in ihrer Wohnung in Strömstad.
    Datum: Freitag, der 1. Oktober.
    Anwesend: Kriminalassistent Alexander Tillgren (AT), Kri-minalassistent Claes-Henrik Wennergren-Olofsson (W-O).
    Die Vernehmung beginnt um 13.22 Uhr.
    AT:Bitte seien Sie so gut und nennen Sie uns Ihren Namen und Ihre Adresse.
    EM:Elisabeth Martinsson. Die Adresse ist Badhusgatan 14 in Strömstad.
    AT:Danke. Ich heiße wie gesagt Alexander Tillgren. Ich bin Kriminalassistent bei der Kymlinger Polizei. Zusammen mit meinem Kollegen Wennergren-Olofsson hier an meiner Seite werde ich Ihnen einige Fragen stellen, die Sie wahrheitsgemäß beantworten müssen. Es geht um zwei Todesfälle, die wir momentan untersuchen. Maria Winckler, die vor fünfunddreißig Jahren in der Gåsaklyftan in Rönninge vor Kymlinge starb, und Germund Grooth, der letzte Woche an genau derselben Stelle gefunden wurde. Sind Ihnen diese beiden Todesfälle bekannt?
    EM:Natürlich sind sie mir bekannt. 1975 war ich ja dabei, als es passiert ist, und ich bin bereits von der Polizei befragt worden. Es war an einem Dienstag, wenn ich mich nicht irre.
    AT:Können Sie uns berichten, was 1975 passiert ist?
    EM:Ja, sicher. Das vergisst man nicht, und jetzt ist meine Erinnerung ja auch gerade aufgefrischt worden.
    AT:Es tut mir leid, dass wir das alles noch einmal

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