Einsamen
soll.
AT:Worüber haben Sie gesprochen?
EM:Wir haben kaum geredet. Ich kann mich erinnern, dass wir ziemlich still waren. Das erschien irgendwie am natürlichsten so. Aber irgendwann hat einer das mit dem Schrei angesprochen. Dass sie gerufen hat, während sie fiel. Es gab da verschiedene Meinungen, aber eigentlich haben wir auch darüber nicht viel geredet.
AT:Als Sie zu Maria hinuntergelaufen sind, half Germund da bei der künstlichen Beatmung?
EM:Nein. Er stand nur da. Oder lag auf den Knien, ja, nach einer Weile sank er auf die Knie. Ich habe angenommen, dass er unter Schock steht. Er war wie ver-
steinert.
AT:Wenn wir ein wenig zurückgehen, wie ist die Gruppe zur Gänseschlucht gekommen?
EM:Wir sind natürlich mit dem Auto gefahren. Ich bin zusammen mit dem Pfarrerspaar und Marias Bruder und seiner Frau gefahren.
AT:Das bedeutet, dass Germund Grooth und Maria Winckler allein gefahren sind?
EM:Ja. Das war schon etwas komisch. Ich wurde von vier Menschen aufgesammelt, die ich noch nie gesehen hatte. Aber das lag daran, dass ich auf ihrem Weg wohnte. Maria und Germund hätten einen Umweg machen müssen, wenn sie mich hätten mitnehmen wollen … ja, ich glaube, das war der einzige Grund.
AT:Ich verstehe. Wie war die Stimmung in der Gruppe?
EM:Im Auto oder im Wald?
AT:Beides.
EM:Etwas gedrückt, würde ich behaupten. Sie haben nicht viel geredet. Im Auto war es eigentlich nur dieser Tomas, der was gesagt hat, nachdem wir uns begrüßt hatten. Und dann im Wald waren sie auch nicht viel zusammen. Es war geplant, dass wir nach zwei Stunden zusammen Kaffee trinken wollten, aber so weit sind wir ja nie gekommen.
AT:Maria war zu dem Zeitpunkt bereits tot?
EM:Ja.
AT:Aber die Stimmung war gedrückt, sagten Sie? Schon vorher.
EM:Ich fand es jedenfalls. Jeder ist ja auch für sich allein durch den Wald gelaufen. Nein, wie gute Freunde haben sie sich nicht gerade verhalten.
AT:Aber es gab keinen offenen Streit?
EM:Nein. Jedenfalls habe ich keinen bemerkt.
AT:Würden Sie sagen, Sie haben Germund Grooth kennengelernt? Ich meine, hinterher, in der Schule.
EM:Nein, ich kannte ihn nicht.
AT:Aber Sie haben doch beide das restliche Schuljahr dort gearbeitet, oder?
EM:Schon, aber das heißt ja nicht, dass wir etwas miteinander zu tun hatten. Es waren mindestens fünfzig Lehrer im Kollegium. Und wenn ich ehrlich bin, dann gefielen mir die meisten nicht.
AT:Gefiel Germund Grooth Ihnen auch nicht?
EM:Der gefiel mir weder gut noch schlecht. Bis auf einen Gruß hatten wir keinerlei Kontakt.
AT:Trotz der Erlebnisse im Wald?
EM:Ja. Ich hatte das Gefühl, dass er nicht darüber sprechen wollte.
AT:Waren Sie bei Marias Begräbnis?
EM:Nein. Mir ist Bescheid gesagt worden, aber es fand in Sundsvall statt. Ihr Elternhaus steht wohl dort.
AT:Wie kam es, dass Sie zu diesem Ausflug eingeladen wurden? Es war Maria Winckler, die Sie gefragt hat, nicht wahr?
EM:Ja. Aber die kannte ich auch nicht. Es war wohl eher Zufall, dass sie es erwähnte. Und ich habe dann gesagt, dass es schön wäre, in die Natur hinauszukommen, und da bot sie mir das an. Ich kann mich nicht mehr so genau erinnern. Ich glaube, ich hätte sie gemocht, sie schien auch nicht so recht ins Kollegium zu passen. War etwas eigen irgendwie, ja, das war Germund wohl auch.
AT:Wen von den anderen haben Sie gesehen, als Sie Maria haben schreien hören?
EM:Überhaupt keinen. Ich war allein. Und das waren wohl alle. Aber ich war offenbar diejenige, die Maria am nächsten war, da ich ja zuerst angekommen bin.
AT:Können Sie von einem Vorfall berichten, bei dem Germund Grooth eine Ohrfeige bekam?
EM:Was?
AT:Grooth hatte eine Auseinandersetzung mit einem Kollegen, das wissen Sie doch sicher?
EM:Er hatte eine Auseinandersetzung mit einem Kollegen? Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie reden.
AT:Im Sommerhalbjahr, das müssen Sie doch mitgekriegt haben
EM:Nein. Davon habe ich keine Ahnung.
W-O:Wenn ich »Blutegel« sage, was sagt Ihnen das?
EM:Blutegel?
W-O:Darf ich Sie um eine schnelle Antwort bitten. Wenn ich »Blutegel« sage, was antworten Sie darauf?
EM:Ich würde antworten, dass Sie nicht ganz dicht sind.
W-O:Das werde ich mir notieren.
AT:Entschuldigung. Wenn wir zu Germund Grooth zurückkommen, diesen Zwischenfall mit einem Kollegen, dann wissen Sie also nichts davon?
EM:Nein, und ich weiß nicht, was das mit Blutegeln zu tun hat. Ist Ihr Kollege ganz klar im Kopf?
AT:Lassen Sie uns bitte weitermachen. Haben Sie Germund Grooth wiedergetroffen,
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