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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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durchgehen müssen.
    EM:Das macht nichts. Ich war damals gerade neu an der Schule, ich glaube sie hieß Kymlingeviksschule. Als Kunstlehrerin, ich war nur zwei Jahre dort, dann habe ich etwas anderes gemacht. An einem Sonntag haben wir einen Ausflug unternommen, ein paar andere frisch eingestellte Lehrer hatten mich dazu eingeladen. Ja, das waren natürlich Maria Winckler und Germund Grooth. Wir wollten draußen im Wald Pilze suchen, und nachdem wir das eine Weile gemacht hatten, ist Maria einen Steilhang hinuntergestürzt und gestorben. Ja, das war eigentlich alles in diesem Zusammen-
hang.
    AT:Warum gab es dann polizeiliche Ermittlungen?
    EM:Sie hat etwas geschrien, als sie fiel, darum ging es.
Ich war ziemlich nahe und habe es ganz deutlich gehört. Ja, und ich dachte wirklich, sie hätte »Mörder!« geschrien.
    AT:»Mörder«?
    EM:Ja. und andere hatten das Gleiche gehört, jedenfalls mehr oder weniger. Keiner hat gesehen, wie sie gefallen ist, wir waren zu weit verstreut, aber alle haben mitgekriegt, dass sie irgendwas gerufen hat. Mit einem langen Ö-Ton drin. Wie in Töööten! oder Mööörder! Ich habe damals ziemlich lange mit einem Kriminalbeamten gesprochen. Er hieß Sandelin oder so etwas in der Art.
    AT:Kriminalinspektor Sandlin, ja, wir haben sein Protokoll gelesen.
    EM:Ach, und warum sitzen wir dann hier? Ich habe meine Meinung seit damals nicht geändert.
    AT:Wir sitzen hier, weil Maria Wincklers Lebensgefährte, Germund Grooth, jetzt an derselben Stelle tot aufgefunden wurde, das wissen Sie doch. Was haben Sie gemacht, als Sie Maria haben schreien hören?
    EM:Müssen wir das wirklich alles noch einmal durchexerzieren?
    AT:Ja, bitte.
    EM:Okay. Ich bin natürlich hingelaufen. Zuerst habe ich nicht verstanden, was passiert ist, aber dann habe ich über den Rand geguckt und sie da unten liegen sehen. Ich war die Allererste vor Ort, aber die anderen kamen gleich danach. Wir sind schnell zu ihr hinuntergeklettert, es gab da einen kleinen Pfad runter. Wir waren wohl nach einer halben Minute bei ihr, nein, vielleicht hat es ein bisschen länger gedauert. Ich glaube, ich habe sofort gesehen, dass sie tot war, aber ich habe es trotzdem mit künstlicher Beatmung versucht. Habe aber ziemlich schnell wieder aufgehört, es hatte keinen Zweck. Dann kamen all die anderen.
    AT:Wer kam als Letzter?
    EM:Wie bitte?
    AT:Haben Sie registriert, wer als Letzter unten ankam?
    EM:Nein, warum sollte ich? Ich war geschockt und alle anderen auch. Ich glaube, sie waren alle innerhalb einer Minute unten.
    AT:Was haben Sie gedacht? Sie wussten ja, dass sie »Mörder!« gerufen hatte. Was haben Sie gedacht, was wohl passiert war?
    Zehn Sekunden Zögern der Befragten.
    EM:Ich weiß nicht, was ich gedacht habe. Ich glaube nicht, dass ich sofort daran gedacht habe, was sie gerufen hat.
    AT:Aber irgendwas müssen Sie doch gedacht haben? Sie müssen sich doch vorgestellt haben, was pas-
siert ist.
    EM: Nach neuerlichem Zögern: Es hat wohl eine Weile gedauert, aber natürlich ist mir der Gedanke dann durch den Kopf gegangen. Dass jemand sie runtergestoßen hat, meine ich.
    AT:Das haben Sie gedacht?
    EM:Ja, was hätte ich denn sonst denken sollen? Aber das war erst nach einer Weile, als wir dort standen und gewartet haben und nicht wussten, was wir tun sollten. Sie lag da, und wir standen um sie herum, ist doch klar, dass man da alles Mögliche denkt.
    AT:Meinen Sie damit, dass Sie überlegt haben, ob einer der anderen sie vielleicht gestoßen haben könnte?
    EM:Ja. Oder dass es vielleicht ein Außenstehender getan hat. So ein Verrückter, der durch den Wald lief oder so. Oder ob sie einfach nur gestolpert ist. Aber in erster Linie habe ich wohl an die anderen gedacht.
    AT:Wieso?
    EM:Nun, ich kannte ja keinen von ihnen, das war eine Gruppe, die sich offensichtlich schon länger kannte. Sie hatten auf irgendeinem Pfarrhof gefeiert, einer von ihnen war Pfarrer. Germund und Maria arbeiteten ja an der Schule, aber das Schuljahr war erst wenige Monate alt, und es war Maria gewesen, die mich gefragt hatte, ob ich mitkommen wollte.
    AT:Wann hat sie Sie gefragt?
    EM:Wir saßen im Raucherzimmer und haben uns unterhalten, ich glaube, es war nur zwei Tage vorher. Ja, wie gesagt, ich wusste absolut nicht, was ich glauben sollte. Ich stand da im Wald zwischen den Blaubeerbüschen mit vier unbekannten Menschen und einer, die tot war. Marias Bruder war losgelaufen, um Hilfe zu holen, wir anderen blieben dort und hielten Wache oder wie man das nennen

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