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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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dachte er, während er die große Rasenfläche auf der rechten Seite der Väktargatan überquerte, alles hat seine Zeit.
    Sich zu treffen. Sich zu trennen. Zu sterben.
    Als er hereinkam, saß sie da und schrieb. Das tat sie fast immer, er konnte die Tasten schon klappern hören, als er noch draußen im Flur stand. Er hängte seine Jacke auf und rief Hallo.
    »Hallo!«, rief Anna zurück. »Wo bist du gewesen?«
    Er hörte, dass sie fröhlich klang. Wahrscheinlich war sie dabei, einen Artikel zu beenden, mit dem sie zufrieden war.
    »Bei Ofvandahls«, sagte er und trat in die Küche, in der sie saß.
    »Mein Gott, ja, das kann ich riechen«, sagte Anna. »Du stinkst wie ein alter Bückling.«
    »Ich bin den ganzen Weg zu Fuß gegangen«, rechtfertigte Rickard sich. »Und wir haben sogar ein Fenster offen gehabt.«
    »Vier Theologen, die vier Zigaretten die Stunde rauchen«, sagte Anna. »Und das vier Stunden lang, wie verqualmt wird das? Ich nehme an, es war die übliche Bande?«
    »Stimmt«, sagte Rickard. »Vier zukünftige Bischöfe, warum schreibst du nicht eine Reportage über uns?«
    Anna lachte, und er dachte wieder an das mit dem Glück und dem Sinn. Dass es tatsächlich Momente gab, in denen man diesen Sinn überhaupt nicht suchen musste.
    »Willst du einen Tee?«, fragte er. »Ich kann einen kochen.«
    »Mir wäre eigentlich eher nach einem Glas Wein«, antwortete seine Frau. »Haben wir nicht noch eine Flasche im Vorratsschrank?«
    Und aus irgendeinem Grund war er fast zu Tränen gerührt.

54
    S ie hatten abgemacht, sich um zehn Uhr zu treffen, und er fuhr direkt vom Krankenhaus los. Er hatte zwei Morgenstunden in der Rehaabteilung verbracht, mit einer ganzen Horde von Ärzten, Krankenschwestern und Spezialisten gesprochen – aber in erster Linie hatte er mit Marianne gesprochen.
    Das war heute möglich gewesen. Sie war immer noch ungemein müde, aber es war eine deutliche Verbesserung gegenüber gestern festzustellen. Er dachte, dass es wohl so war, wie noch einmal geboren zu werden. Ein langsamer, aber ungebremster Prozess, er wusste nicht, woher er dieses Bild hatte. Sie konnte sich nicht daran erinnern, was passiert war, hatte keine Erinnerung daran, dass sie ins Sahlgrenska gebracht und dort operiert worden war, und es war unklar, ob sie sich jemals würde daran erinnern können.
    Aber das war auch gleich. Sie verstand, was ihr zugestoßen war, trotz allem war das Krankenhaus ihr normales Arbeitsmilieu, und auch wenn es einen Unterschied zwischen Gebärenden und einer Hirnblutung gab, so war auch das auf gewisse Weise ihr Alltag. Sie war in keiner Weise über ihre eigene Situation beunruhigt – und es gab auch keinen Grund dazu, laut Doktor Berngren und vieler anderer. Das, was ihr eventuell Sorgen bereitete, das war die Frage, wie sie daheim zurechtkamen. Und dabei besonders, wie Jenny und Johan damit umgingen, dass ihre Mutter eine Gehirnblutung gehabt hatte.
    Aber nachdem sie mit ihnen gesprochen hatte – sie hatten es auch heute geschafft, vor der Schule vorbeizuschauen – und nachdem die beiden und auch Barbarotti ihr versichert hatten, dass es prima in der Villa Pickford lief und außerdem Sara zur Hilfe gekommen war, war sie ruhiger geworden. Sie hatten
einander wieder bei den Händen gehalten, bis sie eingeschlafen war. Das ist ein Moment gewesen, hatte Barbarotti gedacht, um ihn mit in den Tag zu nehmen.
    Und nicht nur in diesen Tag.
    Doch jetzt stand er also vor der Tür eines Hauses in der Rosengatan und wollte mit einem Mann sprechen, der vor drei Tagen seine Frau verloren hatte. Er beschloss, keine weiteren vergleichenden Überlegungen anzustellen, und drückte auf den Klingelknopf.
    Rickard Berglund sah ein wenig besser aus als beim letzten Mal. Er trug eine gewöhnliche Jeans und einen dünnen Rollkragenpullover. Filzpantoffeln an den Füßen. Er schüttelte Barbarotti die Hand und bat ihn ins Wohnzimmer. Er entschuldigte sich, dass nicht ordentlich geputzt war, und fragte, ob er Tee oder Kaffee trinken wolle.
    »Was trinken Sie?«, fragte Barbarotti.
    »Kaffee.«
    »Dann nehme ich auch einen.«
    Gunnar Barbarotti setzte sich auf denselben Sessel wie beim letzten Mal. Das Schachbrett stand immer noch da, und Barbarotti hatte den Eindruck, dass keine der Figuren bewegt worden war. Aber er wollte es nicht beschwören. Rickard Berglund verschwand in der Küche und kam nach einer halben Minute mit einer Kaffeekanne und einem Teller mit Mandelkeksen zurück.
    »Sie haben so einiges

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