Einsamen
als er vor Bücher-Viktor gestanden und dem Demonstrationszug die Drottninggatan entlang zugeschaut hatte.
Wie sie ihm direkt in den Schoß gefallen war, wie er sie nach Hause begleitet hatte und wie sie ein Paar geworden waren. Und jetzt … ja, es würden im Herbst zwei Jahre sein, dass sie zusammenwohnten. Und verheiratet waren sie seit fast einem Jahr. Das fühlte sich aus irgendeinem Grund gleichzeitig länger und kürzer an.
Je weiter er die Stadt hinter sich ließ, je näher er der Väktargatan kam, umso mehr dachte er an sie. Oder an ihre Beziehung, das eine ließ sich ja nicht vom anderen trennen.
Sie würde die Journalistenschule in wenigen Wochen beenden. Hatte bei der Uppsala Nya Tidning ein Sommerpraktikum bekommen, und es war ihr in Aussicht gestellt worden, dass es möglicherweise bis in den Herbst hinein verlängert werden könnte. Was ihn selbst betraf, so würde Rickard bei der Post jobben, genau wie er es letzten Sommer getan hatte. Sivert Grahn, Matti Kolmikoski und Rufus Svensson hatten natürlich auch noch ein Jahr an der Fakultät vor sich, und Rickard hoffte, dass sich ihre Treffen bei Ovfandahls in den nächsten beiden Semestern weiterentwickeln würden. Dann war noch mindestens ein Semester übrig, bevor es an der Zeit für die Priesterweihe war. Das erschien zweifellos beruhigend. Er war noch nicht so weit, Uppsala den Rücken zu kehren. Aber vielleicht in anderthalb Jahren. Anna und er hatten darüber schon oft gesprochen, festgestellt, dass beide bereit waren, woanders hinzuziehen, gern weit weg von dieser Stadt der Wissenschaften – aber dass sie jetzt noch nicht reif dafür waren. Wenn der Zeitpunkt kam, würden sie sich schon nach einem Posten irgendwo im Land umschauen.
Und Kirchen und Zeitungen gab es ja an den meisten Orten, das Problem würde sich also sicher lösen lassen, wenn der Tag kam.
Uns geht es gut, dachte Rickard etwas unvermittelt, als er die Råbyleden bei der Mobiltankstelle überquerte. So ist es, wenn man in einer Beziehung lebt. Manchmal geht es aufwärts, manchmal abwärts, und es stimmte schon, was sie da am Stammtisch besprochen hatten, diese Diskussion über Glück und Sinn. Auch wenn man es auf eine Beziehung übertrug. Es war idiotisch, sich einzubilden, dass es die ganze Zeit nur Friede, Freude, Eierkuchen gab. Oder dass das Glück dort zu finden sein sollte. Jeden Morgen, Mittag und Abend, nein, so funktionierte das nicht. Genau wie man nach dem Sinn im Leben suchen muss, so muss man das auch in einer Ehe, dachte er. Gemeinsam einen verschlungenen Weg durch Schwierigkeiten und Freuden meistern und sich nicht einbilden, dass die anderen Menschen um einen herum auf so viel grünerem Gras tanzen. Oder dass man selbst danach streben sollte.
Sie hatten über die Kinderfrage gesprochen, waren aber zu dem Schluss gekommen, dass sie damit noch eine Weile warten wollten. Zumindest bis sie Uppsala verlassen würden und ein richtiges Einkommen hatten. Momentan sah es damit etwas schlecht aus. Das »Qualitätsreisen«-Abenteuer hatte mehr gekostet, als es gebracht hatte – und dabei hatten sie nicht die Reise letztes Jahr in die östlichen Länder mitgerechnet, diese Reise, über die so gut wie nie ein Wort geäußert wurde, nachdem Anna ihre Reportage veröffentlich hatte –, aber sie hatten es trotzdem geschafft, ohne mit Rickards Mutter reden zu müssen. Die Fahrten nach Norrland im Frühling waren ausgezeichnet gelaufen, wie Tomas hatte verlauten lassen, aber zum Sommer hin musste der Bus repariert werden, und von irgendwelchen Ausschüttungen, auf die sie gehofft hatten, von denen konnte leider nicht die Rede sein.
Sie trafen sich so gut wie gar nicht mehr mit Tomas und Gunilla. Bis auf das Bustreffen im Januar hatten sie sich nur ein Mal gesehen. Sie hatten an einem Abend in April zu viert im Guldtuppen in der Kungsgatan gegessen, aber es war nicht das Gleiche wie früher gewesen. Vielleicht spukten die Ereignisse von Timisoara immer noch in ihren Köpfen herum, Anna und Rickard hatten zumindest diesen Schluss gezogen, als sie hinterher nach Hause gingen.
Er telefonierte hin und wieder mit Tomas, wenige Male hatten sie auch einen Kaffee zusammen getrunken, aber mehr war da nicht. Er wusste nicht einmal, was Tomas jetzt eigentlich studierte, nahm aber an, dass es immer noch mit Wirtschaft zu tun hatte.
Und Maria und Germund? Von ihnen hatte er seit Januar nichts mehr gehört, und er war sich sicher, dass es Anna genauso ging.
Aber so ist es nun einmal,
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