Einsamen
ganze Nacht lang diverse Drinks zu euch genommen?«
»Es waren nur ein paar Stunden«, korrigierte Barbarotti sie. »Aber gestern war er ganz allein. Er kann einem fast leidtun.«
»Das stimmt«, sagte Backman. »Was hältst du von dem, was er gesagt hat?«
»Dass wir nach zwei Mördern suchen sollen? Ich weiß nicht.«
»Wenn wir jeder einen finden, dann ist der Fall gelöst.«
»Bei dir klingt das so einfach«, sagte Gunnar Barbarotti. »Hast du einen Plan?«
»Ich denke, ich werde nach Lindås fahren«, sagte Eva Backman. »Und ich schlage vor, dass du …«
»Du brauchst mir nichts vorzuschlagen«, wehrte Barbarotti ab. »Ich weiß schon, was ich tun muss.«
IV
65
E ine Feier auf dem Pfarrhof?«, fragte Rickard Berglund. »Findest du wirklich, das ist eine gute Idee?«
»Wieso nicht?«, sagte Anna. »Wozu hat man sonst einen Pfarrhof?«
Es war ein Donnerstag Anfang August. Sie saßen draußen in der Laube auf den grünen Gartenmöbeln. Hummeln summten in den Reseden. Ein Hochdruckgebiet war bereits in seiner zweiten Woche, und er hatte gerade damit angefangen, seine Sonntagspredigt zu schreiben. Der zehnte Sonntag nach Trinitatis: Die Gaben der Gnade.
»Kann schon sein. Aber du hast noch nicht eingeladen?«
»Natürlich nicht. Ich musste doch vorher mit dir reden. Aber mir ist diese Idee gekommen, ich dachte, das könnte doch ganz interessant werden. Es ist ja ziemlich lange her, seit wir sie getroffen haben. Und jetzt, da Maria und Germund herziehen wollen.«
»Hat sie das wirklich gesagt?«
»Ja. Sie sind inzwischen bestimmt schon hier. Sie unterrichten beide an einer Schule hier in der Stadt. Haben beide offenbar ihr Lehrerexamen gemacht. Und Gunilla und Tomas sind in einer Stunde mit dem Auto hier. Sie brauchen höchstens anderthalb, und außerdem können sie hier übernachten.«
Vielleicht gar keine dumme Idee?, dachte er. Vielleicht war die Zeit ja reif, sich wiederzusehen? Und warum sollte er sich dagegen sperren, wenn Anna ausnahmsweise etwas Begeisterung bei einer Sache zeigte?
»In Ordnung«, sagte er. »Wir können ja mal drüber nachdenken.«
Sieben Monate. Es war bereits mehr als ein halbes Jahr vergangen, seit sie auf den Pfarrhof von Rödåkra gezogen waren, und immer noch kam es vor, dass er, wenn er morgens aufwachte, nicht sofort wusste, wo er sich befand. Wenn er die handgemalten Tapeten aus dem 19. Jahrhundert erblickte. Das Sprossenfenster und die Fliederbüsche davor. Es war ein Idyll wie aus einem Märchenbuch. Oder aus einem alten schwedischen Film. Das Hauptgebäude war Ende des 18. Jahrhunderts erbaut worden, mit waagerechten Holzstämmen, zwei Flügel im selben Baustil waren ein halbes Jahrhundert später dazugekommen. Das Gemeindehaus lag auf der anderen Straßenseite.
Der eine Flügel, das war sein Arbeitsplatz, der andere war als Gästezimmer eingerichtet, da es im Wohnhaus selbst nur vier Zimmer gab. Aber es waren großzügig geschnittene Räume; es genügte vollkommen, war fast schon zu groß. Rickard erinnerte sich, dass er sich noch während seiner Zeit in Uppsala vorgestellt hatte, wie ihre Kinder hier aufwüchsen, zwei Stück würden problemlos Platz unter den großen, weiß getünchten Dachbalken finden. Ganz zu schweigen von dem Garten, in dem sie jetzt saßen und in dem gut und gerne zehn Kinder herumspringen und spielen könnten, er grenzte an einen morastigen Bach und beherbergte viele knorrige alte Obstbäume, Himbeerbüsche, Johannisbeer- und Stachelbeerbüsche. Sie hatten die Kinderfrage besprochen, in vorsichtigen Worten, schon einige Male, aber es gab immer noch etwas bei Anna, was sie zögern ließ. Er wusste nicht, was es war, und vielleicht war es genau dieser Bodensatz im Becher, der ihn nachts wach liegen ließ.
Warum war sie nie wirklich zufrieden? Das fragte er sich immer wieder. Was fehlte ihr? Hatte es etwas mit seiner Person zu tun? Oder handelte es sich tatsächlich um diese alte Unterscheidung zwischen Glück und Sinn? War Anna möglicherweise so darauf aus, einen Sinn zu finden, dass sie sich nicht glücklich fühlen konnte? Hatte es etwas mit ihrer Kindheit zu tun? Mit den schwermütigen Eltern und den mürrischen Brüdern in Salabacke?
Doch darüber sprachen sie nicht, und er fand allein nie eine Antwort auf diese Fragen – oder genauer gesagt, fand er mal die eine, mal die andere mögliche Erklärung, die er aber bald wieder verwarf. Und auch wenn er sie selten oder fast nie mit seinen Überlegungen belästigte, so konnte sie ja
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