Einsamen
wohl sehen, dass er manchmal darunter litt. Natürlich begriff sie die Situation; zumindest wenn es darum ging, Kinder zu bekommen.
Was soll man mit einem Pfarrhof, wenn man nie Feste gibt?, hatte sie gefragt. Was soll man damit, wenn man keine Kinder hat? Rickard fand, das war die bessere Frage.
Und wenn sie sah, dass er traurig war, dann kam es vor, dass sie es auch wurde. Du musst mir Zeit geben, Rickard, konnte sie dann sagen. Ein wenig mehr Zeit, lass uns jetzt nicht weiter darüber reden.
Das war zumindest eine Art Übereinkunft.
Die Pfarrerrolle füllte ihn voll und ganz aus. Auch wenn sein Vorgänger diesen Posten mehr als dreißig Jahre lang innegehabt hatte, begriff Rickard schnell, dass er eigentlich nicht besonders beliebt gewesen war. Weder unter den älteren noch unter den jüngeren Gemeindemitgliedern. Der Gotteshirte Tömlin hatte zu viel vom Schwefel gepredigt, und das besonders in seinen alten Tagen, als ihn täglich und stündlich Verdauungsprobleme quälten. Der Kirchendiener Holmgren hatte Rickard bereits in den ersten Wochen im Februar in alles eingeweiht, was er wissen musste. Tömlin war im August verstorben, fünfundsechzig Jahre alt und ungefähr doppelt so viele Kilo schwer; im Laufe des Herbstes waren Pfarrer aus den umliegenden Gemeinden eingesprungen und hatten den Topf am Kochen gehalten.
Genau so drückte er sich aus, der Holmgren. Den Topf am Kochen gehalten. Was wohl ein etwas übertriebenes Bild war im Hinblick auf die Anzahl der Kirchgänger, die während des Gottesdienstes die Bänke drückten.
Auf jeden Fall war das neue junge Pfarrerspaar willkommen, dieser Ansicht war nicht nur der Kirchendiener. Auch Fräulein Bengtsson und Frau Lavander, die die Bücher führten und andere Dinge im Kirchenbüro erledigten, hatten ihre Wertschätzung ausgedrückt. Gleich am Anfang, sie erklärten, es wäre geradezu eine Erleichterung, und hatten bei dieser Formulierung gelacht.
»Musst du an deiner Predigt schreiben?«, fragte Anna und verscheuchte mit der Hand eine Hummel.
»Ja, es ist wohl an der Zeit.«
Sie selbst hatte ihre Schreibmaschine mit nach draußen genommen, er nahm an, dass es um ihre Reise zu den alten Grabstätten auf Tjörn und Orust ging, die dokumentiert werden sollte. Sie war am vorhergehenden Abend zurückgekommen, nach dreitägiger Abwesenheit.
»Es stört dich doch nicht, wenn ich ein bisschen klappre?«
»Nein, natürlich nicht.«
Er dachte, dass er sie liebte. Heute hat sie einen ihrer sanften, zufriedenen Tage, vielleicht würden sie heute Abend miteinander schlafen.
Der Gedanke war ihm peinlich. Hier sitzen wir im Paradies, dachte er. Der Pfarrer und die Pfarrersfrau. Er pusselt an seiner Predigt, sie schreibt einen Artikel für die Kirchenzeitung. Aber der Pfarrer denkt ans Vögeln.
Obwohl das ja eigentlich nicht so schlimm war. Er musste innerlich darüber schmunzeln und nahm an, dass der Liebe Gott es auch konnte. Seine Ehefrau zu begehren, das war keine Sünde. Und wenn man irgendwann Kinder auf dem Pfarrhof haben wollte, dann gab es keinen anderen Weg.
Es kam, wie er gehofft hatte. Anschließend lagen sie in dem geräumigen Doppelbett noch wach und genossen die laue Nachtluft, die ins Schlafzimmer strömte. Das Hochdruckgebiet war wirklich stabil, Augustnächte waren sonst nicht so warm.
»Was hältst du von ihnen?«, fragte er.
»Von wem?«
»Maria und Germund. Tomas und Gunilla. Was meinst du, wie es ihnen geht?«
Eine Zeitlang sagte sie gar nichts. »Denkst du häufiger an sie?«, fragte sie dann. »Und an das da?«
»Ab und zu«, sagte er. »Man kann es ja nicht vergessen, und außerdem hatten wir früher viel mit ihnen zu tun. Tomas war der erste Mensch, den ich in Uppsala kennengelernt habe. Schon merkwürdig, dass wir uns so auseinandergelebt haben.«
Anna nickte.
»Vielleicht, ja«, sagte sie. »Aber so ist es nun einmal. Sie macht sich Sorgen wegen Maria.«
»Wer? Gunilla? Macht sie sich Sorgen wegen Maria?«
»Ja.«
»Und warum?«
»Maria hat sie ein paar Mal angerufen und war so merkwürdig. Das hat sie jedenfalls gesagt.«
»Merkwürdig?«
»Ja.«
»Inwiefern?«
»Das weiß ich nicht. Wir haben nicht weiter darüber gesprochen. Sie war ja ziemlich lange unten in Spanien, Maria, meine ich. Ich glaube, sie ist erst im Mai wieder nach Hause gekommen.«
»Sie war noch nie leicht zu verstehen.«
»Nein, aber jetzt ist es offenbar noch schwerer.«
»War Germund auch in Spanien?«
Anna drehte sich um und machte das Licht
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