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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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auch. Flemingsson hat mich gefragt, ob ich möglicherweise auch Spanisch unterrichten könnte – eine Testgruppe könnte in nächster Zeit anstehen, wie wäre es damit? –, und ich habe erklärt, dass das für mich kein Problem darstellt. Niemos problemos. Das ist phantastisch, sagte Flemingsson.
    »Sie ist phantastisch«, erklärte Germund. »Aber was ist mit mir?«
    Germund wird natürlich Mathe und Physik unterrichten. Es fällt mir etwas schwer, ihn mir hinterm Pult vorzustellen, andererseits behauptet er, dass es ihm genauso schwerfällt, mich dort zu sehen. Also fangen wir wohl ungefähr am gleichen Ausgangspunkt an.
    Aber eigentlich ist das gar keine Kunst, meint Germund. Denke nur an einen guten Lehrer, den du gehabt hast, und dann verhältst du dich ungefähr genauso. Man soll nichts komplizierter machen, als es ist.
    Es war ein Glück, dass er nach Spanien gekommen ist. Ich glaube, es wäre aufs Irrenhaus hinausgelaufen, wenn ich allein weitergemacht hätte. Diese Bar, dieses seltsame Mädchen und diese große Einsamkeit, nein, es war keine sinnvolle Fortsetzung möglich. Wir verließen Torremolinos nach nur einer Woche, fanden stattdessen in Malaga ein paar Zimmer, im alten Stadtkern, gleich in der Nähe der Kathedrale, und dort wohnten wir, bis wir Ende Mai nach Hause fuhren. Unsere Vermieterin war die alte Witwe eines Stierkämpfers, zumindest behauptete sie das; ich weiß nicht so recht, vielleicht behaupten das alle andalusischen Witwen.
    Germund hatte genügend Geld, so dass wir nicht arbeiten mussten, keiner von uns. Ich hörte auf, Hasch zu rauchen. Wir machten lange Spaziergänge, durch das alte jüdische und maurische Viertel, hinauf zur Festung und am Meer entlang, und plötzlich war es ein anderes Meer. Nicht das von Mamaia und nicht wie im Winter in Torremolinos und Fuengirola; es war natürlich Germunds Anwesenheit, die machte den Unterschied, und das sagte ich ihm. Du bist ein verdammt lebenswichtiges Organ für mich, Germund, sagte ich. Ich kann nicht so einfach ohne dich existieren.
    Das war keine Liebeserklärung, nur eine Feststellung, und das verstand er.
    Ich habe auch meine Probleme mit dem Atmen, wenn du weg bist, sagte er.
    Es war auch am Strand, wo es uns zum ersten Mal gelang, uns zu lieben. Ich habe sehr bewusst »lieben« statt »vögeln« gewählt, es ging damals um etwas anderes. Es war Nacht, es war Mondschein, und ich kann mir immer noch das Rauschen der Wellen ins Ohr zurückrufen, wenn ich das möchte.
    Das mit der reinen Mathematik und der physischen Liebe, sagte ich hinterher. Glaubst du immer noch dran?
    Es gibt vielleicht noch etwas Drittes, sagte Germund.
    Schönheit?, fragte ich.
    Etwas Viertes, sagte Germund.
    Wir trafen auch meine Eltern, Germund tatsächlich zum ersten Mal. In dem Haus in Fuengirola. Mama hatte eine riesige Paella zubereitet, sicherheitshalber ein paar Nachbarn eingeladen, wir saßen auf der Dachterrasse, und alles lief ohne Zwischenfälle ab. Aber zumindest mein Vater war erleichtert, als wir uns verabschiedeten, das weiß ich. Er macht sich immer ein wenig Sorgen um mich, und das soll er ruhig. Es war zum Teil seine Schuld, dass ich von der Schaukel fiel, als ich acht war, und allein meine Anwesenheit genügt, um ihn daran zu erinnern. Ich glaube, Mama macht es ab und zu
auch.
    Ihn erinnern.
    Aber jetzt sind wir also in Kymlinge. Es hat sich herausgestellt, dass Rickard und Anna ganz in der Nähe wohnen, auf einem Pfarrhof, einige Kilometer außerhalb der Stadt. Rickard hat gestern angerufen und uns zu sich eingeladen. Aber erst in einem Monat, er wird den genauen Termin noch mitteilen, sagte er. Vielleicht sucht er nach einem predigtfreien Sonntag, ich weiß es nicht. Er hat auch von einem Ausflug in die Pilze geredet. Es ist geplant, dass Tomas und Gunilla auch kommen, wahrscheinlich fahren sie mit dem Auto von Göteborg hierher. Ich spürte einen instinktiven Widerwillen gegen das Projekt, und als ich es Germund erzählte, ging es ihm ge-
nauso.
    Wozu zum Teufel soll das gut sein?, fragte er.
    Das frage ich mich auch, diese Zeiten sind doch vorbei.
    Andererseits kann es wohl kaum jemandem schaden. Das meinten wir beide nach einer Weile. Dieser instinktive Widerwille scheint an uns abzuperlen wie Wasser an einer Gans, und eine Stunde später kamen wir überein, zuzusagen. Ein Essen mit gutem Wein auf einem Pfarrhof, das wird man ja wohl überstehen können?
    Ich sitze auf unserem kleinen Balkon und schaue über den Bach, der nur dreißig

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