Einsamen
erinnern.
Vielleicht, vielleicht auch lieber nicht. Es war wichtig, Dinge beim Namen zu benennen. Aber wenn man nicht die richtigen Worte fand, dann konnte man leicht das Gegenteil erreichen. Verwirrung statt Klarheit. Idioten, die vom Göttlichen lamentierten – und von denen gab es mehr als genug –, verliehen Gott einen schlechten Ruf.
In den ersten acht Monaten als Pfarrer hatte er so einiges gelernt, unter anderem auch das. Und er spürte, dass es den typischen Predigerton in seinen Gedanken gab.
»Im vierten Monat also?«, fragte er.
»Im vierten Monat«, bestätigte Gunilla.
»Das ist dir wirklich nicht anzusehen. Aber dieses Mal wird es gut gehen, das weiß ich.«
»Das kannst du nicht wissen«, sagte Gunilla mit einem leisen Lächeln. »Aber ich weiß es auch.«
Sie blieben vor der Frage Nummer acht stehen. Dabei ging es um einen lateinischen Blumennamen, von dem keiner von ihnen auch nur die geringste Ahnung hatte.
Sie lasen die Antwortalternativen durch und einigten sich auf ein Kreuz. Renfana, woher um alles in der Welt sollte ein Konfirmand das wissen?, fragte er sich. Fräulein Bengtssons Erwartungsniveau war hoch, daran bestand kein Zweifel.
Sie taten so, als stießen sie darauf an, Gunilla trank eine alkoholfreie Variante mit Rücksicht auf ihren Zustand. In Rickards Plastikbecher war reichlich Alkohol.
»Wir haben uns so lange nicht gesehen«, sagte er. »Das ist eigentlich schade.«
Sie nickte und ging den Weg weiter entlang.
»Das liegt wohl an der Sache mit Maria.«
»Weißt du, wie es ihr geht?«
Sie zuckte mit den Schultern.
»Keine Ahnung. Ich glaube jedoch besser. Aber es sieht so aus, als bekäme Tomas gerade die Hucke voll.«
Sie zeigte in deren Richtung. Das Geschwisterpaar war fünfzig Meter vor ihnen stehen geblieben, und es sah so aus, als wären sie in eine Diskussion verwickelt. Tomas gestikulierte, Maria stand reglos da, die Hände in die Seiten gestemmt.
»Jedenfalls sieht es nicht nach Geschwisterliebe aus«, sagte Gunilla.
Und plötzlich spürte Rickard, wie ein leichter, aber kalter Windhauch ihn in den Nacken biss. Nein, dachte er, das mit dieser Betrachtung, das lasse ich lieber.
Da stimmt etwas nicht, dachte Gunilla. Etwas anderes als das alte, bekannte.
Sie waren dabei, das warme Essen abzuschließen. Schweinefilet mit Rosmarinsoße und Kartoffelgratin. Gut, aber nicht außergewöhnlich. Die anderen waren bei der dritten Flasche Rotwein, sie selbst hielt sich an Wasser. Sie saßen um einen großen, alten Eichentisch. Sie dachte, dass sie wirklich Glück gehabt hatten, Anna und Rickard, sie wohnten gemütlich und schön auf mehr als hundertundfünfzig Quadratmetern, und sie hatten nicht besonders viele Möbel kaufen müssen. Nur das austauschen, was sie nicht mehr haben wollten, das hatte Rickard erzählt. Wenn man eine Pfarrstelle übernahm, dann hing eine ganze Menge mit dran, das war sicher.
Aber zumindest nicht die Übernahme der Witwe?, hatte sie gefragt.
Nein, zum Glück nicht, hatte er lachend geantwortet.
Kerzen auf dem Tisch. Simon and Garfunkel leise aus der Stereoanlage, die war jedenfalls nicht dabei gewesen. Sie saß neben Germund, Maria gegenüber, und das Gastgeberpaar an den Stirnseiten. Tomas redete. Über lange und kurze Kreditlaufzeiten, über die Regierung, über einen Tennisspieler, von dem niemand gehört hatte, der aber offenbar ein Weltstar werden würde. Rickard erzählte ein wenig, wie es war, Pfarrer in einer Gemeinde auf dem Land zu sein, und sie selbst versuchte einzuflechten, wie schön es sei, in Göteborg zu wohnen. Die übrigen drei am Tisch sagten nicht viel. Aber vielleicht war das immer so gewesen, dachte sie. Früher. Dass Tomas den Karren am Laufen hielt, das war jedenfalls nichts Ungewöhnliches, und momentan war sie sogar dankbar dafür. Sechs Menschen um einen Tisch – würde keiner etwas sagen, das wäre schrecklich.
Deshalb unterstützte sie ihn, so gut es ging. Schwärmte von Göteborg: Guldheden. Majorna. Avenyn und Haga.
Hauptsache, niemand sagt etwas über Rumänien, dachte sie. Dann lege ich mich quer.
Aber niemand sagte etwas über Rumänien. Die stumme Übereinkunft hielt. Sie aßen Dessert, nur Eis mit Beeren, aber es waren Johannisbeeren aus dem Pfarrgarten, eingefroren und leicht gezuckert. Rickard sagte, nächsten Sommer seien sie alle willkommen, so viele Stachelbeeren, Johannisbeeren und Himbeeren zu pflücken, wie sie wollten, sie hatten nur einen Teil von dem ernten können, was es diesen
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