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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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Kindheit und unser Leben reden. Wir haben uns jeweils kurz über die Hintergründe informiert, mehr aber auch nicht.
    Ich weiß nicht, wie Germund reagierte, als er plötzlich vollkommen allein auf der Welt stand, aber ich habe mir überlegt, wie ich wohl selbst reagiert hätte.
    Was natürlich schwer zu sagen ist, aber ich glaube nicht, dass es mich wirklich tief getroffen hätte.
    Es gibt wohl nur wenige Dinge, die mich tief berühren. Ob das daran liegt, dass ich böse bin, weiß ich nicht, aber ich ziehe es vor, mich an die Wahrheit zu halten.
    Germund trifft andere Frauen, natürlich tut er das.
    Er ist ein unglaublich schöner Mann. Außerdem sieht er meistens traurig aus, und das lässt viele schwach werden. Er weckt ihre Muttergefühle, er kann gar nichts dafür. Manchmal erzählen wir uns gegenseitig von unseren jeweiligen Eroberungen, das kann sehr lustig sein. Als ich beschrieb, wie es mir mit Bernt-Åke erging, einem Kommilitonen von mir, mit dem ich einmal nach einem Besäufnis im Dezember zusammen war, bekam Germund einen Lachanfall, von dem er sich kaum erholte.
    Ich weiß, dass ich auch schön bin, und ich habe das mal mit Germund diskutiert. Dass es vielleicht einen dritten absoluten Punkt gibt, abgesehen von der reinen Mathematik und der physischen Liebe – die Schönheit.
    Nachdem er eine Weile darüber nachgedacht hatte, stimmte er mir zu. Ich möchte nicht blind sein, wenn du mich reitest, Maria, sagte er. Da hast du durchaus Recht.
    Ich weiß, dass ich recht habe. Wir lassen immer das Licht an, wenn wir dabei sind.
    Ich war seit Weihnachten nicht mehr daheim in Sundsvall, und ich zweifle daran, dass ich noch einmal vor August hochfahren werde. Ich habe mich für den ganzen Juni und Juli um einen Job als Kellnerin beim Profeten beworben. Es ist natürlich nicht sicher, dass ich ihn kriege, aber der, bei dem ich mich vorgestellt habe, schien ganz positiv eingestellt zu sein. Fast alle anderen Frauen – und es sind fast nur Frauen, die Französisch studieren – fahren natürlich den Sommer über nach Frankreich. Es wird als wichtig angesehen, in ein rein französisches Milieu einzutauchen, aber das ist mir egal. Ich weiß nicht, ob ich im Herbst tatsächlich den C-Kurs belegen werde, vielleicht mache ich auch etwas ganz anderes.
    Ich habe keine Pläne für mein Leben, hatte immer schon das Gefühl, dass ich jung sterben werde, weshalb es sich gar nicht lohnt. Aber ich werde noch für ein paar Jahre hier in Uppsala bleiben, das ist klar. Die Stadt gefällt mir.
    Das liegt an der Atmosphäre. Und der Anonymität. Hier kann ich ich sein, und niemand kümmert sich drum, was ich tue. Es gibt so viele Studenten, irgendwie kann man gar nicht alle im Blick behalten. Man kann sich unter die von V-dala, von Östgöta oder Värmland mischen, behaupten, man hieße Clarissa von Platen, stamme aus Dingle und studiere Kunstgeschichte. Nicht ein Wurm würde protestieren. Das gefällt mir.
    Germund wird auch weiterhin hier sein, was natürlich auch nicht schlecht ist. Er studiert theoretische Physik parallel zu Mathematik, er hat einen doppelt so hohen Schlagrhythmus wie alle anderen. Vielleicht mache ich es bald auch so. Nehme zwei Studiengänge statt nur einem auf. Französisch kostet wirklich nicht viel Kraft, abgesehen von der Zeit, die ich brauche, um alle Bücher zu lesen. Balzac und Stendhal und Zola, wobei ich eigentlich nur Maupassant mag. Ich glaube, Maupassant hätte das mit der reinen Mathematik und der physischen Liebe gutgeheißen.
    Vielleicht noch die Schönheit dazu.
    Tomas und Gunilla erwarten ein Baby. Letzte Woche haben sie es verkündet; ich war bei ihnen zu selbstgemachter Pizza eingeladen und um ihren selbstfabrizierten Wein zu testen. Ich versuchte Begeisterung vorzutäuschen, aber zumindest Tomas hat mich durchschaut. Als wir einmal unter vier Augen waren, fragte ich ihn, ob sie nicht ganz gescheit seien, hätten sie denn noch nie etwas von Verhütungsmitteln gehört? Worauf er nur den Kopf schüttelte und mich mit diesem üblichen Großer-Bruder-Blick betrachtete. Überheblich und voller Mitleid. Und es war nicht das Kind, dem sein Mitleid galt, sondern ich. Seine verrückte kleine Schwester, die keine menschlichen Gefühle im Leib hat.
    Macht, was ihr wollt, sagte ich. Aber plant mich jedenfalls nicht als Babysitter ein.
    Auf den Gedanken würde ich nie kommen, sagte Tomas.
    Okay, sagte ich. Dann herzlichen Glückwunsch, außerdem soll doch jeder nach seiner Fasson glücklich

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