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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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Lebensgefährtin vor langer Zeit ums Leben gekommen ist – vollkommen unabsichtlich –, nein, so etwas passiert nicht.«
    »Vermutlich nicht«, nickte Eva Backman und nahm die Namensliste in die Hand. »Wissen wir, wer noch am Leben ist? Alle fünf oder …?«
    »Wir wissen überhaupt nichts«, erklärte Inspektor Barbarotti. »Aber es ist an der Zeit, diese Unkenntnis aus der Welt zu schaffen. Asunander möchte einen detaillierten Bericht, und zwar …« Er schaute auf die Uhr, »in genau vierundzwanzig Stunden.«
    »Aha«, sagte Backman. »Und wo fangen wir an?«
    »An verschiedenen Punkten«, sagte Barbarotti. »Ich schlage vor, dass ich mich um die Vergangenheit kümmere. Ich bin ja trotz allem ein klein wenig erfahrener als du und habe mir bereits Sandlins Ordner geschnappt. Du kannst in der Gegenwart wühlen. Herausfinden, wo …«
    »… wo die übrigen fünf heute zu finden sind«, unterbrach Backman ihn. »Ja, trotz meiner Jugend verstehe ich schon. Und die eine oder andere Befragung wäre wohl auch angebracht. Wie lange hat Herr Grooth eigentlich schon dort gelegen, als Bengtsson ihn gefunden hat? Wissen wir wenigstens das?«
    »Nicht genau«, gab Barbarotti zu. »Aber wir erfahren es heute Abend. Ich habe etwas von zwei Tagen läuten hören. Zumindest länger als einen.«
    »Hätte ihn dann Bengtsson nicht schon am Samstag finden müssen?«, wunderte Backman sich. »Statt am Sonntag? Ich dachte, er geht jeden Tag die gleiche Runde?«
    »Vielleicht hat er verschiedene Runden«, sagte Barbarotti. »Wir müssen das überprüfen.«
    »Mach du das«, sagte Eva Backman. »Ich gehe in mein Zimmer und werde mich auf Personensuche begeben. Wir sehen uns morgen früh, oder?«
    »Das machen wir«, sagte Barbarotti. »Ich fahre jetzt nach Hause.«
    Eva Backman schaute auf ihre Uhr. »Es ist erst halb vier.«
    »Ich weiß, wie spät es ist«, erklärte Gunnar Barbarotti. »Aber ich habe die Ordner auf meinem Nachttisch vergessen.«
    »Ja, ja, Vergesslichkeit und hohes Alter, das geht Hand in Hand«, sagte Eva Backman. »Grüß Marianne von mir.«
    Nach einer guten Stunde hatte sie eine neue Liste aufgestellt. Außerdem hatten sich dunkle Gefühle herangeschlichen. Das lag irgendwie an diesem Zeitsprung. Eine Gruppe Fünfundzwanzigjähriger, die sich hokuspokus in Sechzigjährige verwandelte – natürlich hatten sie in der Zwischenzeit viel erlebt, Kinder bekommen, Häuser gebaut, waren vielleicht neue Beziehungen eingegangen, hatten fremde Kontinente gesehen und Karriere gemacht, aber diese beiden isolierten Ereignisse draußen in der Gänseschlucht ließen den Abstand auf eine unangenehme Art und Weise zusammenschmelzen.
    Als wären fünfunddreißig Jahre nicht viel mehr als eine Stunde. Die Stunde, die sie gebraucht hatte, um die jeweiligen Umstände von heute aufzulisten. Am 27. September 2010.
    Natürlich betraf dieses Gefühl sie selbst. Heute fünfundzwanzig, morgen sechzig. Oder noch schlimmer, wie hieß er noch, dieser alte Spruch? Heute rot, morgen tot ?
    Ihr blieben noch vier Jahre bis zu ihrem fünfzigsten Geburtstag. Barbarotti nur noch ein paar Monate, aber er schien sich deshalb keine großen Sorgen zu machen. Was natürlich keine größere Bedeutung für die aktuellen Ermittlungen hatte, aber es war nicht immer einfach, Arbeit und Privatleben zu trennen. Die Gedanken wanderten gern hin und her, besonders nachmittags, wenn der Blutzuckerspiegel niedrig war.
    Sie seufzte. Ging zur Küchenzeile und holte sich noch einen Becher Ekelkaffee. Kam zurück in ihr Büro und setzte sich an den Schreibtisch, um eine grobe Analyse der Lage zu versu-
chen.
    Was die anging, die noch nicht den Todesfelsen hinuntergestürzt waren. Wenn man ein wenig dystopisch sein wollte.
    Es handelte sich um fünf Personen. Wie sich herausgestellt hatte, hatte keine von ihnen zwischen September 1975 und September 2010 das Leben verloren, und alle fünf lebten immer noch im Königreich Schweden.
    Das war ein guter Anfang. Das bedeutete, dass man sie zu fassen bekam. Man konnte einen nach dem anderen verhören, wenn es denn für notwendig erachtet wurde. Eva Backman war sich ziemlich sicher, dass es für notwendig erachtet werden würde, und sie persönlich hegte auch keine davon abweichende Meinung.
    Die beiden verheirateten Paare waren immer noch verheiratet. Was als ungewöhnlich angesehen werden muss, dachte sie. Wenn man sich Anfang der Siebziger jung verheiratet hatte, war die Chance, dass man beispielsweise noch seine

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