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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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Germund und ich zusammengezogen sind, habe ich mit keinem anderen Typen mehr geschlafen, und ich glaube, er hatte auch kein anderes Mädchen. Aber ich bin mir nicht sicher, und es würde mich nicht besonders stören, wenn er nebenbei noch ab und zu vögeln würde. Wir sind auf diese Art nicht voneinander abhängig.
    Wir sind übrigens auch auf andere Art nicht voneinander abhängig. Obwohl ich mich selbst frage, warum es mir so notwendig erscheint, das zu unterstreichen. Und warum ich diesen Amerikaner nicht austeste, wie gesagt. Oder ein Mädchen. Vielleicht bin ich doch auf dem Weg, eine andere zu werden. Ich weiß es nicht.
    Manchmal fühle ich mich alt. Besonders wenn ich mich umschaue und feststelle, wie meine Altersgenossen denken und sich verhalten. Es herrscht dort viel Pathos, aber vielleicht ist es auch nur so, wie Germund sagt: Es ist nicht gerade lohnenswert, besonders helle im Kopf zu ein. Wenn man andere Menschen durchschaut und ihre Dürftigkeit entdeckt, dann spritzt der Dreck immer auf einen selbst zurück. Zum Schluss hat man das Gefühl, man schaute in einen Spiegel, und das hasse ich. Ich will nicht, dass mein Leben so aussieht wie das von anderen.
    Nein, es gilt immer noch in höchstem Grad, das mit der reinen Mathematik und der physischen Liebe.
    Und der Schönheit, wie gesagt. Und dem reinen Wodka.
    Bis jetzt gefällt es mir gut hier in der Stadt, aber langsam beginne ich zu begreifen, dass das nicht ewig währen wird. Und warum sollte es auch? Nichts währt ewig, schon gar nicht das Leben. Als wir zusammen Kaffee getrunken haben, hat Anna behauptet, es gäbe einen Uppsala-Snobismus, eine akademische Arroganz, die sie in Stockholm nicht fände. Vielleicht hat sie ja Recht, ich glaube, ich sollte Germund mitschleppen und mit ihm in Stockholm ins Theater oder die Oper gehen oder so, zumindest etwas regelmäßiger, es ist ja trotz allem nicht mehr als eine Stunde mit dem Zug.
    Warum nicht jetzt am 30. April? Diese Walpurgishysterie, auf die kann ich wirklich verzichten.
    Noch ein Zeichen, dass ich älter bin als meine sauer verdienten Einundzwanzig?
    Over and out. Der Spatz ist müde.

24
    L asst hören«, sagte Asunander und lehnte sich zurück, so dass der Schreibtischstuhl knackte. »Wo stehen wir?«
    »Wir stehen auf der Stelle und haben unsere Zweifel«, sagte Barbarotti.
    »Tatsächlich?«, fragte Asunander. »Und welche Zweifel haben wir?«
    »Was eigentlich passiert ist«, sagte Eva Backman. »Ob wir einen Fall haben oder nicht.«
    »Einen Fall haben wir zweifellos«, sagte Asunander. »Oder zwei. Und das noch vom selben Steilhang, und ihr wollt also behaupten, dass es sich um zwei Unglücksfälle handelt?«
    »Inspektor Barbarotti und ich haben da etwas geteilte Meinungen«, sagte Backman. »Ich persönlich schätze, dass es sich um Unglücksfälle handelt. Möglicherweise um Selbstmord, einen oder zwei. Sandlin ist vor fünfunddreißig Jahren auch zu keinem anderen Schluss gekommen, und dass wir jetzt den Lebensgefährten an derselben Stelle tot aufgefunden haben, das ändert ja wohl kaum etwas an Sandlins Vermutung.«
    »Vermutung?«, wiederholte Asunander und lehnte sich über den Schreibtisch vor. »Arbeiten wir neuerdings mit Vermutungen? Ich dachte immer, es wären Tatsachen, mit denen wir uns befassen. Trockene, Geduld erfordernde, jedoch unleugbare Tatsachen. Aber korrigiert mich bitte, wenn ich mich irre.«
    Er genießt das hier, dachte Barbarotti. Er wäre besser als Rektor einer Mädchenschule im 19. Jahrhundert geeignet gewesen. Und es war besser, als seine Zähne noch nicht so fest in seinem Kiefer saßen.
    »Unsere Vermutungen beruhen auf Tatsachen«, erklärte er. »Selbstverständlich.«
    »Selbstverständlich«, wiederholte Asunander. »Und welche Tatsachen haben wir also?«
    Eva Backman räusperte sich. »Wir haben zwei Menschen, die in einem Abstand von fünfunddreißig Jahren denselben Steilhang hinuntergestürzt sind. Beim ersten Mal waren sie ein Paar, danach hat er allein gelebt. War Physikdozent in Lund, wir wissen nicht, was er in Kymlinge wollte. Abgesehen davon, sich möglicherweise das Leben an genau dem Platz zu nehmen, an dem seine Lebensgefährtin es getan hatte.«
    »Abgesehen davon, möglicherweise«, brummte Asunander. »Was wissen wir über ihn?«
    »Wir haben ihn uns bisher noch nicht näher anschauen können«, antwortete Barbarotti. »Wir haben uns zunächst denen gewidmet, die beim letzten Mal dabei waren, und dem Tatort.«
    »Tatort?«, fragte

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