Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
Vom Netzwerk:
mit Frau Winckler-Rysth geschafft. Es kann ja trotz allem so sein, dass einer von ihnen ein Mörder ist.«
    »Dann hast du deine Meinung jetzt geändert?«, wunderte Barbarotti sich.
    »Ich habe nie eine Meinung gehabt«, sagte Eva Backman. »Zumindest nicht in diesem Fall, das bildest du dir nur ein. Aber wenn ich mich um den Dozenten kümmere, dann kannst du wohl die anderen übernehmen. Mit Martinsson habe ich bereits gesprochen, aber nur am Telefon, wie gesagt. Wir sollten …«
    »Ja?«
    »Wir sollten zumindest überprüfen, was sie am Samstagnachmittag getan haben. Oder? Vielleicht haben sie ja alle fünf ein Alibi, und dann hat sich die Sache, oder?«
    »Vier«, korrigierte Barbarotti. »Anna Berglund brauchen wir nicht zu überprüfen. Wenn man mit Krebs im Sterben liegt, dann reicht das.«
    »Okay, vier«, sagte Backman. »Du vernimmst Winckler und Berglund, und ich kümmere mich um den toten Dozenten. Dann sind wir uns einig?«
    »Absolut«, sagte Barbarotti. »Dann denkst du also an eine kleine Reise in den Süden?«
    »Du hast doch in Lund studiert«, fiel da Backman ein. »Vielleicht wäre es besser, wenn du das übernimmst?«
    »Kaum«, wehrte Barbarotti ab. »Ich habe Vorurteile gegenüber dieser Metropole der Gelehrsamkeit. Single Martinsson, was hast du eigentlich mit der gemacht?«
    »Nichts«, sagte Backman. »Nur gesagt, dass wir vielleicht noch mal wiederkommen.«
    »Ich werde sehen, ob ich sie auch noch schaffe«, sagte Barbarotti. »Während du dich da unten in Skåne amüsierst.«
    »Abgemacht«, sagte Backman. Warf ihm einen letzten prüfenden Blick zu und verließ den Raum.
    Noch zwanzig Minuten lang blieb er am Schreibtisch sitzen, bis er endlich beschloss, etwas zu tun.
    Ich bin ein Idiot, dachte er. Nur ein Idiot kann eifersüchtig sein auf einen Kerl, mit dem seine Ehefrau zusammen war, bevor er selbst sie überhaupt kennengelernt hat. Nur ein Idiot kann eifersüchtig sein auf jemanden, der tot ist. Ergo bin ich ein Idiot.
    Andererseits, dachte er nach einer Weile, andererseits ist es nicht nur Liebe, die blind macht. Eifersucht macht mindestens genauso blind. Das sind mildernde Umstände, ich bin nur ein halber Idiot.
    Außerdem ging es bereits langsam vorbei, wurde ersetzt durch etwas anderes. Er wusste nicht so recht, was, in allererster Linie fühlte er sich müde. Er hatte die letzte Nacht nicht mehr als zwei, drei Stunden geschlafen, und er hatte die Sache nicht weiter mit Marianne diskutiert. Gestern Abend nicht und nicht heute Morgen. Das erschien gemein, aber vielleicht war es auch nur gut so.
    Auch mit dem Herrgott hatte er die Frage nicht erörtert, obwohl er die Absicht gehabt hatte. Aber da war etwas an der Beziehung zwischen dem Lieben Gott und Barbarotti, das nicht stimmte. Schwer zu sagen, was, aber als er weiter darüber nachdachte, wurde ihm klar, dass er seit mehreren Monaten kein Existenzgebet mehr an ihn geschickt hatte. Seit dem letzten Sommer nicht mehr, da war es um Sara und Jorge gegangen, daran erinnerte er sich, wenn auch nicht mehr genau, aber die Bitte war erfüllt worden. Gott hatte einen Pluspunkt erhalten und hatte somit genau zwanzig. Er hatte das in seinem Heft notiert.
    Ein deutlich sprechendes Zeichen, dass er existierte, also, auch wenn noch mehrere Jahre des Marathonlaufes bevorstanden – aber dass Gunnar Barbarotti aufgehört hatte, mit ihm zu reden, das deutete wohl darauf hin, dass etwas nicht in Ordnung war. Oder? Marianne las ab und zu in der Bibel, manchmal diskutierten sie die eine oder andere Stelle, sprachen über Zuversicht und Vorsehung und alles Mögliche, aber mit diesem persönlichen Kontakt, den er sonst pflegte, ja, damit war zweifellos irgendetwas nicht in Ordnung.
    Vielleicht war es auch nur eine Frage der Bequemlichkeit. Sie hatten auch darüber gesprochen. Wenn alles ruhig und friedlich ist, wenn die Not nicht in irgendeiner Form vor der Tür steht, dann ließ man Gott gern außen vor. Holte ihn nur raus, wenn es nötig war. Diese Beziehung zu erhalten, diesen täglichen Kontakt, erforderte eine Anstrengung, und der Mensch ist von Natur aus träge. Durch diesen Spalt ist wohl der Teufel hereingehuscht, dachte Barbarotti. Durch die Hintertür der geistigen Trägheit.
    Er seufzte und beschloss, sich zu bessern. Sowohl was sein Verhältnis zu Gott als auch was das Verhältnis zu seiner Frau betraf.
    Er beschloss außerdem, das zu vergessen, was sie über Germund Grooth erzählt hatte – zumindest zu versuchen, es zu verdrängen

Weitere Kostenlose Bücher