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Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman

Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman

Titel: Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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letzter Freund, ein bisexueller Bildhauer, ständig pleite, war
in Darmstadt geblieben, hatte Janines Umzug zum Anlaß genommen, die Beziehung
zu beenden, seither hatte sie über eine neue Beziehung kaum nachgedacht, spürte
aber das dringende Bedürfnis, mal wieder neben einer Morgenlatte aufzuwachen,
von kräftigen Händen gepackt und auf den Bauch gedreht zu werden. Uwe war um
die dreißig, beinahe zwei Meter groß, schlank und sportlich, roch dezent
parfümiert und trug einen etwas spießigen, aber frisch gereinigten
Businessanzug. Janine hatte bei ihrem Geburtsjahr ein wenig geschwindelt, hatte
sich vier Jahre jünger gemacht. Ansonsten war sie mit vollem Selbstbewußtsein
zum Treffen erschienen; ihr Körper, topfit, konnte kaum beanstandet werden, bis
auf die kleinen Brüste vielleicht, aber Uwe äußerte spontan, daß er von ihrem
Anblick über die Maßen entzückt sei. Er schien, wie sich im Laufe des Gesprächs
herausstellte, schon etliche Treffen dieser Art hinter sich gebracht zu haben –
nicht immer zu seiner Zufriedenheit. Hier und heute aber sei der Grundstein zu
einer wirklich interessanten Begegnung gelegt. Sagte er und bestellte den Loup
de Mer, das teuerste Gericht der Karte. Janine hatte sich für ein eher sparsames
Decolleté entschieden und einen Push-Up- BH .
Sie unterhielten sich über Lieblingsfilme, aber Janine fielen zu wenige ein,
sie ging selten ins Kino.
    »Du sagtest, du bist Tänzerin?«
    »Ja. Naja. Nicht mehr aktiv. Ich unterrichte jetzt. Und du?«
    »Bin Marktleiter. Rauchst du?«
    »Nein.«
    »Das ist gut. Man sieht deiner porentief reinen Haut an, daß du
nicht rauchst.«
    »Was für einen Markt leitest du denn?«
    »Ganz unspektakulär. Lebensmittel. Bei Karstadt.«

17
    SAMSTAG
    Der C&A an der Karl-Marx-Straße in Neukölln war ein
etwas vager Treffpunkt gewesen, aber zielstrebig, als hätte gar nichts anderes
gemeint sein können, trafen sie sich in der Jeans-Abteilung im zweiten Stock.
Mahmud grinste verdruckst. Swentja begann das Gespräch mit dem Satz:
    »Ich müßte echt sauer sein auf dich!«
    »Du? Auf mich? Wieso?«
    »Du hast gesagt, es gibt viel hübschere Mädchen als mich.«
    »Sorry.«
    »Nein, du hast ja recht, es gibt hübschere Mädchen als mich. Nur,
was mich interessiert – warum hast du dann mich gefragt?«
    »Bei dir hab ich den Mut gehabt zu fragen.«
    »Du meinst, weil ich so häßlich bin, hast du dir Chancen
ausgerechnet?«
    »Nee, du bist nicht häßlich. Aber was solls, ich will dich ja nur
lecken, nicht heiraten. Und deine Musch kenn ich ja noch nicht.«
    Swentja spürte, daß sie rot wurde, aber Mahmuds lockerer Ton gefiel
ihr.
    »Bis eben war ich mit nem Typen zusammen, der wollte mich heiraten. Frag
nicht.«
    »Is ja keine Talkshow hier. Gehn wir in die Kabine?«
    »Hast du das Geld?«
    »Wieso Geld? Du willst es doch auch.«
    »Das hast du gesagt. Ich hab das nicht gesagt.«
    Der junge Araber starrte sie an, tat überrascht, runzelte die Stirn
und zuckte mit den Achseln.
    »Na, dann lassen wirs. Ich hab nicht so viel Kohle bei.«
    Swentja runzelte nun ebenfalls die Stirn und verfiel ins Grübeln.
Mahmud hatte schon recht, sie wollte es auch – aber vorrangig ging es jetzt ums
Prinzip. Man durfte den Kerlen nicht entgegenkommen. Gerade am Anfang nicht.
Sagten alle.
    »Gut, lassen wirs.«
    »Okay.« Mahmud drehte sich um, warf ein imaginäres Etwas in die Luft
und ging. Langsam, in diesem behäbig-breiten Macho-Gang, aber er ging, er
entfernte sich kontinuierlich, ohne Blick zurück.
    Mahmud glaubte, Swentja würde ihn sicher unter irgendeinem Vorwand
zu sich rufen. Ganz gewiß. Gleich würde es soweit sein. Gleich. Jetzt. Nur noch
wenige Schritte trennten ihn von der Rolltreppe nach unten. Noch drei. Noch
zwei. Einer. Sie rief ihn einfach nicht zurück. Und seine gespielte
Gleichgültigkeit wich blanker Wut.
    Er drehte sich auf der ersten Stufe der Rolltreppe nach ihr um und
zischte: »Du geldgeile Fotze!« Aber Swentja war nirgends zu sehen.
    Wahrscheinlich holt sie sich in einer der Umkleidekabinen gerade
einen runter, dachte Mahmud und ballte seine Finger zu Fäusten. Warum, dachte
er, sind Frauen bloß so?
    Swentja saß derweil in einer der Umkleidekabinen, weinte und
wiederholte, leise vor sich hin murmelnd, immer wieder das Wort Arschloch .
    Janine wachte auf. Es war halb drei Uhr am Nachmittag. In
einer halben Stunde würde die erste Schülerin kommen. Janine sprang aus dem
Bett. Es blieb kaum noch Zeit, Kaffee zu machen.
    Ihr fiel Uwe erst

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