Einsatz in New York - Secret Mission ; 1
geben. Der Meister würde ihn loben, denn im Training gibt es nicht Sieger und Besiegten, nur denjenigen, dessen Übung gelang. Aber Rick übt nicht. Er ist im Kampfeinsatz. Es heißt entweder er oder der andere. Darum hält er die Plastiktüte weiter zu. Hält sie länger zu, als er müsste; Howard tut bereits seinen letzten Schnaufer. Dieser Mann will den Tod nicht, seine Beine zucken, als die gewaltige Welle Tod durch den großen Körper geht. Aber der Tod siegt, er hält Einzug in Howard, und Rick ist dafür verantwortlich.
Als er sich aufrichtet, ist er ein Mörder. Die Ausrede der Selbstverteidigung lässt er nicht gelten. Er hat getötet und er weiß es. Er hat einen Menschen umgebracht.
Rick steht auf, wartet, bis sich sein Atem beruhigt, dann handelt er konzentriert, wie er es gelernt hat. Das ist nur die Oberfläche. An der Oberfläche nimmt er sein Handy und ruft mich an. Er benennt seinen Standort, benennt das Zeitfenster, das ihm bleibt, bis die Leiche entdeckt wird oder Kanter merkt, dass Howard fehlt. Ich sage ihm, was zu tun ist. Rick öffnet das Fenster für uns. Er steckt das Handy weg.
Ein Mann meines Alters würde, nachdem er getötet hat, losziehen und sich besaufen. Einem Jungen nützt das nichts, er kennt diesen Ausweg nicht, kann sich die nötige Beruhigung nicht ersaufen . Ein Junge ist hilflos, verzweifelt, allein. Darum beginnt Rick, so wie er da
steht, zu heulen. Ein dumpfes Jaulen kommt aus seinem Mund, die Tränen machen ihn blind, Speichelfäden sinken aus seinem Mund und berühren den toten Howard. Er mochte den großen Mann. Howard hat für den falschen Herrn gearbeitet, aber er war ein guter Kerl. Rick hat einen guten Kerl vom Leben zum Tod gebracht. Er hasst sich dafür.
Ein paar Minuten später sind wir vor Ort. Da steht Rick nicht mehr am Fenster. Wir räumen auf, wir haben unsere Methode dafür. Wir benutzen einen Wagen der Straßenreinigung, der so viel Lärm macht, dass man den anderen Lärm nicht hört. Während der Wagen den Bordstein bespritzt, steigen zwei von uns in das ebenerdige Fenster von Kanters Haus ein und verfrachten Howard nach draußen. Der Wagen nimmt die Leiche auf. Wir sind so schnell, dass der Spritzwagen nicht einmal stehen bleiben muss. Wir biegen um die nächste Ecke und lassen einen sauberen Bordstein zurück.
Rick ist mittlerweile wieder im Edelweiß. Er trinkt seine Cola aus und versucht, an den Gesichtern der übrigen abzulesen, ob sein Fehlen bemerkt wurde.
»Was hängst’n hier noch rum?«, fragt einer. Das macht Rick Mut.
Eine halbe Stunde später kommt Kanter aus der Besprechung. »Habt ihr Howard gesehen?«
Alle verneinen. Rick bleibt sitzen. Eine Stunde, noch eine, er tut nichts. Er kriegt mit, wie Kanter nach Howard telefoniert, wie er Leute ausschickt, Howard zu suchen. Howards Telefon ist noch an. Es klingelt
im Wagen der Straßenreinigung, niemand hört es. Kanter telefoniert einem Toten hinterher. Nachdem eine weitere Stunde vergangen ist, fragt Rick, ob er gehen kann. Kanter ist nervös. Noch nie hat Howard sich woanders aufgehalten als drei Schritte hinter ihm.
»Geh nur«, sagt Kanter und streicht sich durch den Bart.
Rick geht langsam, als hätte er es nicht eilig, als wartete draußen nicht die Freiheit auf ihn. Als Rick das Edelweiß verlässt, haben wir Howard bereits endgültig entsorgt.
15
Wo geht einer wie Rick hin, wenn er zum Mörder wurde? Nicht zu uns ins Department. Uns respektiert Rick zwar, aber er vertraut uns noch nicht. Nicht zu seinem Vater oder seiner Mutter, mit ihnen kann er dieses Erlebnis nicht teilen. Rick nimmt ein Taxi und fährt zu Storm. Er muss sie sehen, etwas Nettes zu ihr sagen, etwas Nettes gesagt bekommen. Rick wünscht sich, das Taxi würde schneller fahren.
Er erreicht ihre Straße in Brooklyn. Storm ist zu Hause. Allerdings gibt sie gerade Unterricht. Auch wenn Rick vor Sorge fast platzt, setzt er sich ins Wohnzimmer, sagt Ja zu der Cola, die Storms Mutter ihm anbietet, unterhält sich höflich mit ihr und hört von nebenan das erbärmliche Gekratze, das jemand einer Geige entlockt. Der Unterricht endet, Storm kommt mit einem blassen Mädchen heraus. Storms Gesicht wird ganz Freude.
»Ein schöner Tag, um rauszugehen«, sagt sie und
nimmt die Dollarscheine des Mädchens entgegen. »Ich spendier uns was.« Sie fächelt mit den Dollars in der Luft.
Storms Mutter fragt noch dies und das. Sie ist neugierig auf Rick, der in seinem Anzug ziemlich erwachsen aussieht. Die Fragerei nervt Storm,
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