Einsatz in New York - Secret Mission ; 1
denn sie ist nicht allein. Ihr Freund sitzt bei ihr, ihr Geliebter, ihr Ein und Alles. Rick sitzt an Storms Bett, hält ihre Hand, nichts daran ist ungewöhnlich. Nur das Gefühl. Das Gefühl dieser beiden ist stark, ohne Worte sagt es: Ich stehe zu dir. Wenn wir all das überwunden haben, was hinter uns liegt, wie soll uns das Kommende schrecken? Da ist deine Krankheit,
aber wir glauben an die Heilung. Da sind Sorgen und Schmerzen, aber wir schauen weit darüber hinaus. Für uns gibt es eine Zukunft, gemeinsam werden wir sie genießen.
Es ist spät in der Nacht, als Rick das Methodist Hospital verlässt. Er ist noch schwach auf den Beinen. Die unsägliche Mühe sitzt ihm in den Knochen, er braucht Schlaf. Er denkt an die Menschen, die ihm lieb sind; keiner von denen weiß von Ricks Leistung. Sein Vater, der mit dem Mut der Verzweiflung gegen den Pleitegeier kämpft, und der nur einen kleinen Teil von dem ahnt, was Rick erlebt hat. Seine Mutter, die sich nach etwas Neuem im Leben sehnt und zu ahnen beginnt, dass sie dabei etwas Wunderbares aufs Spiel gesetzt hat. Rick denkt auch an Kanter. Nicht als blutrünstigen Wolf, sondern als verwundetes Tier, das gezwungen wurde, sich in ein Versteck zurückzuziehen. Als Rick die Subway nach Norden nimmt, spürt er den Drang, noch einmal auszusteigen. Etwas zieht ihn, vielleicht ein letztes Mal, nach Alphabet City, dorthin, wo alles begann. Zu Fuß erreicht er den Laden, in dem er Kanter zum ersten Mal begegnete. Ein alter, zorniger Mann lag dort auf dem Boden und steckte Rick ein Messer zu.
Er läuft weiter zum Edelweiß. Die schwarzgelben Plastikbänder, die Siegel der New Yorker Behörde, zeigen an, der Zutritt in dieses Haus ist gesperrt. Tagsüber arbeiten hier die Ermittler. Rick will seinen Gang durch die jüngste Vergangenheit nicht beenden,
ohne dem Drachenpalast einen Besuch abzustatten. Als er durch den Tompkins Square Park trottet, wird ihm schwer ums Herz. Das letzte Bild von Oona ist nicht so leicht abzuschütteln, ihr Ende war unwürdig und grausam. Rick hebt den Blick. Durch diese Garageneinfahrt kam sie hochgeschossen, hielt den Ferrari punktgenau vor Rick an. »Ich dachte, du lässt mich hängen«, sagte sie zu ihm. Rick hat sie nicht hängen lassen, und doch ist er untrennbar mit ihrem Tod verbunden. Er versucht, sich an die freudige Oona zu erinnern, Oona, deren leichtes Kleid sich im Nachtwind bewegte.
Die Hände in den Hosentaschen, bleibt Rick vor dem Drachenpalast stehen. Sein Blick gleitet nach oben, Stockwerk für Stockwerk. Die abbröckelnde Fassade, die verrosteten Ventilatoren der Klimaanlagen – niemand würde in dieser Bruchbude das Luxusapartment eines Gangsterbosses erwarten. Hoch oben im Penthouse ist so viel passiert.
Dort brennt Licht. Kein gewöhnliches Licht, wie es normalerweise aus einer Wohnung dringt. Eine Taschenlampe geistert umher. Schatten, Silhouetten tauchen hinter dem Fenster auf. Rick vergisst zu atmen, starrt, überlegt. Kanter wurde nicht gefasst. Man vermutet ihn an vielen Orten, niemand vermutet ihn im Drachenpalast. Rick tut einen Schritt zurück, als ob er fortlaufen würde. Er will nicht, dass es weitergeht. Er freut sich auf sein Zuhause, auf sein Bett, auf das nette, normale Leben in New Jersey. Das Licht dort oben
gefällt ihm nicht. Es bedeutet, dass es noch nicht zu Ende ist. Es ist nicht zu Ende. Oh nein, zu Ende ist es noch lange nicht.
cbt ist der Jugendbuchverlag
in der Verlagsgruppe Random House
1. Auflage 2011
© 2011 cbt Verlag, München
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: bürosüd, München
st · Herstellung: AnG
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
eISBN 978-3-641-13490-7
www.cbt-jugendbuch.de
www.randomhouse.de
Weitere Kostenlose Bücher