Einsatzort Vergangenheit (German Edition)
seinen
Geschäften zu tun.“ Was wollte er? Das war ganz gewiss nicht der beste
Zeitpunkt und Ort ein solches Gespräch zu führen. Wollte er mich als Betrügerin
bloßstellen? Das passte nicht zu ihm, Walsingham agierte im Geheimen und das
hier war keine seiner üblichen Methoden.
„Das
werde ich auch tun, tut mir den Gefallen und begebt Euch mit mir auf die Suche
nach ihm!“, erwiderte Walsingham kühl. Mit einem Schlag dämmerte mir, was er
von mir wollte. Durch diesen Schachzug zwang er mich, die Gruppe zu verlassen
und mich freiwillig in seine Gewalt zu bringen. Eine Weigerung meinerseits wäre
ein Affront gegen den beinahe mächtigsten Mann des Staates gewesen. Im Prinzip
konnte mir das egal sein, denn ich würde zukünftig nicht mehr mit diesen Leuten
verkehren und konnte mich somit einen Dreck um meinen guten Ruf scheren. Aber
das Risiko dessen, was geschähe, wenn ich nicht mit ihm ging, wollte ich auch
nicht eingehen.
„Sehr
wohl Sir, ich vermute, er wird in den Kammern der Königin sein.“ Das war zwar
nur eine Vermutung gewesen, aber da ich Phil nicht im Presence Chamber
entdecken konnte, war dies die logischste Schlussfolgerung. Vielleicht hatte er
ebenfalls Abschied nehmen wollen, immerhin hatte auch er viel Zeit mit der
Königin verbracht und selbst, wenn sie keinerlei Liebesbeziehung miteinander
hatten, freundschaftlich waren sie trotzdem miteinander verbunden. Mit einer
Geste seines Arms bedeutete Walsingham mir, dass ich ihm folgen sollte. Ich
verabschiedete mich schnell von den anderen und beeilte mich ihm zu folgen. Der
Weg, den er einschlug, führte tatsächlich in den Bereich des Palastes, der den
privaten Räumlichkeiten der Königin vorbehalten war. Eigentlich hatte ich damit
gerechnet in das nächstgelegene Verlies gestoßen zu werden, um dort bis an den
Rest meiner Tage zu warten. Plötzlich blieb er stehen und öffnete eine Tür, die
zu einer Art Arbeitszimmer führte. Er forderte mich auf einzutreten, mir blieb
nichts anderes übrig, als seiner Aufforderung zu folgen.
„Nehmt
Platz, meine Teuerste, mögt Ihr etwas trinken?“, fragte er, als sei ich zu
einem Höflichkeitsbesuch vorbeigekommen. Ich nahm auf einem der gepolsterten
Hocker Platz, verneinte aber den Wunsch nach einem Getränk. Ich wollte mich
bestimmt nicht von ihm vergiften lassen.
„Wisst
Ihr, es ist schon sehr merkwürdig, dass es Euch gibt!“ Nun den Eindruck eines
Geistes hatte ich bisher noch nicht auf mich gemacht, ich kam mir ziemlich real
vor.
„Meine
Eltern haben sich auch gewundert, dass ich es bis in Erwachsenenalter geschafft
habe. Aber das scheint Ihr nicht zu meinen. Worauf wollt Ihr hinaus?“
„Es
hat den Anschein, als gäbe es weder Euch noch Euren Bruder , ist das
nicht seltsam?“ Die Betonung seiner Worte lag auf Bruder, so als wüsste er,
dass wir alles, nur keine Geschwister, waren.
„Wir
sind bisher einfach nicht aufgefallen, ist das ein Verbrechen?“, erwiderte ich
betont lässig, während ich mir innerlich vor Angst in die Hosen machte. Er
musste nur ein Messer zücken und es mir zwischen die Rippen jagen und schon
wäre auch ich Geschichte. Ob er dann noch Antworten bekam, schien wohl eher
zweitrangig.
„Es
ist an der Zeit, dass Ihr mir sagt, wer Ihr seid oder legt Ihr gesteigerten
Wert darauf, Euch die London Bridge aus einer neuen Perspektive zu betrachten?“
Was für eine nette, subtile Drohung, ging es mir durch den Kopf. Doch was
sollte ich ihm sagen? Erneut verfluchte ich die Tatsache, dass Phil und ich
keine Verhörtechniken geübt hatten. Aber wer hätte den auch daran denken
können, dass wir ins Visier des Geheimdienstes gerieten?
„Sir,
ich kann nur erneut wiederholen, dass mein Bruder und ich für Geschäfte hier im
Land waren. Welche, kann ich Euch leider nicht sagen, denn damit habe ich
nichts zu tun, das ist Männersache!“ Ich spielte auf Zeit, vielleicht fiel mir
noch etwas Besseres ein, aber mein Kopf schien wie leer gefegt.
„Euer
Bruder? Und wie erklärt Ihr mir die Tatsache, dass Ihr die Nächte mit ihm verbringt?“
Damit hatte ich nicht gerechnet, woher wusste er das? Er schien mir meine
Überraschung über diese Offenbarung anzusehen, denn er fuhr fort:
„Schaut
nicht so überrascht meine Liebe, inzwischen solltet Ihr doch wissen, dass ich
meine Leute überall habe, auch in Eurem Haus.“ Sein Geständnis schockierte
mich, hatte ich mich vor einigen Tagen in fast der gleichen Situation sicher
gewähnt, dass unsere Leute uns gegenüber loyal waren,
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