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Einschlafbuch Fuer Hochbegabte

Einschlafbuch Fuer Hochbegabte

Titel: Einschlafbuch Fuer Hochbegabte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Bittrich
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vibriert häufig ein Smartphone neben dem Bett. Nicht bei allen Hochbegabten. Aber bei den Genies der Kommunikation. Wenn dann der eine vor dem Einschlafen noch rasch seine E-Mails checken will oder die Tweets der Ex nicht verpassen möchte, oder wenn die andere unter der Decke den Spuren eines Vertrauten auf Facebook folgt, dann ist das Einschlafen gefährdet. Dann ist getrenntes Nächtigen besser. Wenn es denn möglich ist.
    Und wenn nicht? Zur Zeit der glorreichen Hildegard von Bingen war es eng im Bett. Zwar gab es in einem Kloster reichlich Platz, jedoch keine ausreichende Heizung. Deshalb legte man sich in den kühleren Jahreszeiten in sogenannte mehrschläfrige Betten. Wem diese Wärme als Schlummerhilfe nicht reichte, dem erteilte die Äbtissin den Rat, die Durchblutung der Beine mit warmen Kräuterwickeln zu fördern. Hildegard erdachte sogar eine Mischung aus gehackten Rosskastanien, Hagebuttenkernen und Purpursonnenkraut gegen das lästige Kribbeln in den Beinen, heute als Restless-Legs-Syndrom in Mode. Das half den Betroffenen und natürlich ihren Bettnachbarn. Müssen wir dieses Rezept nachkochen, wenn unser Nachbar zu Unruhe neigt? Nicht unbedingt. Denn noch angenehmer und einfacher erscheint heute, was diese Klosterfrau noch ersann: einen Kräuterauszug, der viel später als Melissengeist populär wurde. Zumindest wird Hildegard diese Wundertat zugeschrieben. Wir brauchen nur zu notieren: Kräuter, auch auszugsweise, sind gesund.
    Genau diese wichtige Lektion lernte zum Glück seiner Nächte auch der erste deutsche Nobelpreisträger für Literatur, der Geschichtsschreiber Theodor Mommsen. Er bewohnte eine stattliche Villa. Die benötigte er auch, denn seine Frau wurde Mutter von sagenhaften sechzehn Kindern. Wir wissen nicht, ob der Professor die Rezepte von Klosterfrau Hildegard dem Wortlaut nach kannte. Als Historiker verfügte er über Zugang zu unveröffentlichten Quellen. Wir wissen nur, dass er auf einer Reise nach Xanten neben römischen Ausgrabungen einer weit wichtigeren Tradition auf die Spur kam. Im zwanzig Kilometer vor Xanten gelegenen Städtchen Rheinberg braute damals ein gewisser Hubert Underberg etwas, das er mit dem Namen Boonekamp bezeichnete: einen sogenannten Magenbitter mit Auszügen aus Anis, Fenchel, Süßholz, Koriander, Zimt, Nelken und einigen weniger wichtigen Kräutern.
    Von da an schlürfte Mommsen »semper idem«, wie er seinem Leidensgefährten Theodor Storm verriet, »immer dasselbe«. Vom Katheder der Universität klang es etwas anders. Wenn er nicht schlafen könne, weil wieder einmal ein Kind nach der Mutter rufe und ein anderes bellend huste, dann versetze er sich in die besonnte Vergangenheit der Antike und denke an das harmonische Leben im alten Rom, hat der Professor seinen Studenten erzählt und empfohlen. Den Vorrat an Kräuterbitter im Nachtschrank verschwieg er. Sehr verständlich und pädagogisch wertvoll. Der Lehrer dürfe immer nur Hinweise geben, erklärte Mommsen beim Dank für den Nobelpreis; das eigentliche Geheimnis müsse jeder Schüler für sich selbst entdecken. Gut formuliert. Er wird verzeihen, wenn wir sein Geheimnis unstörbaren Schlafes hier enthüllt haben.
    Wie man trotz Anwesenheit von Partner oder Kindern schläft: das ist eine Sache. Wie man schläft, wenn Partner oder Kinder fehlen, das ist eine andere. John Lennon benötigte die Frau an seiner Seite, um sich sicher zu fühlen und selig wie ein Baby zu schlummern. Martin Luther ebenfalls. Wenn sie von ihren Liebsten getrennt waren, brauchten sie ein Andenken: ein Halstuch, eine Locke, etwas, das den Duft barg und das sich berühren ließ wie ein Talisman.
    Mark Twain, ein für seine Epoche emsig reisender Autor, verabredete für die Zeiten der Trennung mit seiner Frau einen Treffpunkt am Himmel. Dass die beiden auch über weite Entfernungen dieselbe Sonne sahen, denselben Mond, genügte ihnen nicht. Sie erfanden sich ihr persönliches Sternbild: einen Elefanten, den sie gemeinsam am Firmament entdeckt hatten. Welche Sterne genau die Umrisslinien bildeten, wurde nie verraten. Es blieb ihr Geheimnis. In unruhigen Nächten schauten sie also in den Himmel, der eine vielleicht in Europa, die andere in Virginia – und sie fanden und trösteten einander, durchlässige Bewölkung vorausgesetzt, im Sternbild des Elefanten.

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