Einschlafbuch Fuer Hochbegabte
Fohlen«, Edelfräulein, die »schnarchten und fauchten wie ein Kanonenofen«, holde Kammerzofen, die »träumend um sich schlugen wie Dreschflegel«. Es gab Mädchen, die das Bettzeug zerwühlten und auf ihre Seite zogen, andere, die sich beständig umdrehten, wieder andere, die unvermittelt im Schlaf zu sprechen begannen, »ebenso laut wie unverständlich«, und schließlich solche, die den endlich Eingeschlafenen weckten, um ihren eben durchlebten Traum zu erzählen.
Bedauernswerter Verführer! Was die letzte Attitüde betrifft, gibt es indes auch die umgekehrte Klage einer Frau. Katharina die Große beschwerte sich, dass durch mehrere Türen hindurch zu hören war, wie ihr Ehemann, der zum Zar ausgerufene Fürst Peter, mitten in der Dunkelheit aufschrie. Aus Albträumen erwacht, fühlte er sich anschließend gedrängt, jemandem von seiner Todesangst zu erzählen, nahezu jede Nacht. Außer einem tauben Kammerdiener mochte bald niemand mehr zuhören, am allerwenigsten seine Gemahlin. Ihr wäre wohl auch der Wahrheitsgehalt der Träume zu nahe gegangen. Ein halbes Jahr, nachdem seine Regentschaft und seine Albträume begonnen hatten, ließ sie ihn aus dem Schloss und wenig später auch aus dem Leben befördern. Sie übernahm die Herrschaft und schlief, wie ihre Liebhaber bezeugten, tief und traumlos und, von begrenzten Besuchszeiten abgesehen, immer allein.
»Je älter sie wurde, desto mehr liebte sie die Menschen«, versicherte ihr Berater Grigori Potjomkin. »Doch der Gedanke, mit irgendeinem nachts das Zimmer teilen zu müssen, war ihr unerträglich.« Der störanfälligen Aristokratin fiel es leichter, Männer nur für kurze Zeit und anschließend von fern zu lieben. »Die großen Geister sind so«, konstatierte Katharina-Bewunderer Napoleon. »Nur vorübergehend gelten ihre Gedanken der Liebe. Dann gilt alle ihre Liebe den Gedanken, auch bei Nacht.«
Bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts konnten auch mittelgroße Geister der Liebe zu den Gedanken frönen, und die Frauen konnten unbehelligt vom Rasseln männlicher Gaumensegel schlummern. Denn bis dahin waren getrennte Schlafzimmer üblich – dort jedenfalls, wo man sich mehr leisten konnte als eine Besucherritze, vom gehobenen Bürgertum an aufwärts.
Den wenigsten war es vergönnt, in verschiedenen Flügeln eines Schlosses zu nächtigen wie Kaiser Wilhelm und seine Angetraute oder gar in verschiedenen Schlössern wie das Prinzenpaar Charles und Diana. Doch zwei Schlafzimmer an verschiedenen Enden der Wohnung, getrennt durch Bad und Flur, galten in edleren Schichten als angemessen und erstrebenswert. Erst als vor fünfzig Jahren bunte Zeitschriften das Liebesleben als dringliches Thema entdeckten und Therapeuten begannen, den Sex durch Anleitungen zu optimieren, wurde das gemeinsame Bett klassenübergreifend zum Standard. Inzwischen, nach einem halben Jahrhundert gemischter Erfahrungen, wird, abermals um Sex und Liebe zu verbessern, wieder das getrennte Schlafen propagiert.
Wir wissen von Brad Pitt und Angelina Jolie, dass sie separate Schlafzimmer bevorzugen und einander gelegentlich besuchen und dass sie zuweilen mit einer unüberschaubaren Zahl von Kindern gemeinsam in einem Riesenbett posieren. Sie schlummern getrennt, weil ihre inneren Uhren unterschiedlich ticken. Er steht früh auf, sie lieber spät. Der Biorhythmus ist der Gesetzgeber. Das Autoren-Paar Paul Auster und Siri Hustvedt lebt in so unterschiedlichen Schichten, dass die beiden schon wieder dasselbe Schlafzimmer benutzen könnten; der eine geht zu Bett, wenn die andere aufsteht.
Greta Garbo schlief allein, weil niemand sie beim Aufwachen sehen sollte. Bei Barbra Streisand ist es ähnlich; nur ihr Pudel, erklärte sie, dürfe sie abgeschminkt sehen. Der verblichene Tony Curtis hat an allzu reichem Make-up, an abfettenden Nachtcremes und weiteren Gewohnheiten seiner Ladys Anstoß genommen. Wie in einem Update von Casanovas roter Liste zählte er auf, was ihn in Gegenwart liebender Frauen am Einschlafen hinderte: ätzend riechende Lotionen, wattierte Fußdecken, moderige Liebestränke, entstellende Schlafbrillen, betäubende Duftkissen, bettbreite Kuscheltiere, Ohrstöpsel, Augentropfen, dicke Socken.
Inzwischen kommt einiges dazu, womit Tony keine Erfahrung mehr sammeln konnte. Er hatte ausdrücklich nichts gegen das oft geschmähte Fernsehen im Schlafzimmer. Selbst Live-Berichte von Katastrophen schläferten ihn ein. Vielleicht lag es an der Frequenz des Flimmerns. Heute jedoch
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