Einsiedler der Ewigkeit (Science-Fiction-Roman) (German Edition)
hinunter zu gehen. Dabei lächelte er wehmütig. Er musste ihnen als eine Gottheit erscheinen, als ein zorniger Gott, der vom Himmel gefallen war, um sie zu strafen, weil sie sein Missfallen erregt hatten.
Er erreichte die untersten Quadern. Noch immer erfolgt e keine Bewegung.
Er sah nur gebeugte Rücken, kahle schwarze Köpfe und lange, weiße Gewänder. Kinder schien es – wenigstens hier – nicht zu geben, soweit er erkennen konnte. Hart vor dem Priester blieb er stehen.
»Erhebe dich «, forderte er den Mann auf.
Lakor stand, an allen Gliedern zitternd, langsam auf. Der Gott hatte gesprochen! Und er
hatte ihn in seiner eigenen Sprache angeredet.
»Was hat das hier zu bedeuten ?«, fragte Harder und deutete auf das blonde Mädchen, das jetzt schweigend neben dem ersten Steinsockel stand. Der Priester benötigte eine ganze Weile, ehe er ein paar Worte hervorbrachte.
» Heute ist das Fest des Zeitgottes. Euch zu Ehren wollten wir dieses Mädchen opfern, Erhabener.«
» Und ihr glaubt, das würde mich versöhnlich stimmen?« Harder wollte erklären, dass er keineswegs die Absicht habe, für einen Gott gehalten zu werden, aber das würde ihm niemand glauben. Außerdem bot sich eine Gelegenheit, dem ganz offensichtlich primitiven Volk eine Lehre zu erteilen, um sie von ihren Menschenopfern abzubringen.
»Höre, Lakor«, redete er den Priester mit seinem Namen an. »Ich will keine Opfer. Hast du das verstanden? Ihr könnt feiern, so viel ihr wollt, aber wenn noch einmal jemand durch die Hand eines Priesters stirbt, nur um eines Opfers willen, dann werde ich euch alle bestrafen. Ich werde den Blitz und den Donner schicken, und …«
Harder hielt inne, denn ihm war ein Gedanke gekommen. In seinem fantastischen Gedächtnis waren die Daten aller Konstellationen gespeichert. Der Mond würde zwischen Erde und Sonne stehen, und das konnte schon in wenigen Minuten geschehen.
Harder hatte sich das Schauspiel einer Sonnenfinsternis vom All her ansehen wollen, dass es dann nicht mehr dazu kam, lag an den Veränderungen, die die Erde im Laufe der Jahrtausende durchgemacht hatte und die seine Neugier erweckten.
Schnell sprach er weiter. » Ich werde die Sonne verdunkeln, wenn Ihr noch einmal tötet.« Er blickte zum Himmel. Das Ereignis musste jeden Moment eintreten. Sein geschultes Auge erkannte den Vorgang schneller, als ein anderer das jemals vermocht hätte. Schon trat der Mond in die Phase, in der er für etwa eine Minute der Sonne teilweise das Licht nehmen würde.
Die Gläubigen hatten die Köpfe erhoben und sahen zum wolkenlosen Himmel empor, ob der Gott seine Macht demonstrieren wollte.
Da geschah es auch schon. Langsam verblasste das Licht der sengenden Sonne, als der Mond in die Bedeckungsphase trat. Die grelle Farbe trübte sich, als wolle die Sonne verblassen.
Harder verbarg sein Grinsen hinter einem betont starren Gesicht. Aus den Reihen der Menschen kam angstvolles Gewimmer. Lakor warf sich zu Boden, verbarg das Gesicht zwischen den Händen und presste es in den heißen Sand.
» Hört auf, Erhabener«, keuchte er angstvoll. »Lakor verspricht euch, nie wieder zu opfern. Nur lasst es wieder hell werden.«
Harder krampfte die Wangenmuskeln zusammen. Die Sonnenfinsternis würde nur noch zwanzig Sekunden lang anhalten. Zurzeit war es in diesem Teil der Erde fast völlig dunkel.
Ungewisses Zwielicht lag über der Wüste, nur dort auf der Spitze der Pyramide , wo das Raumschiff stand, gleißte und strahlte die Hülle des Fahrzeugs. Es war ein gespenstisches Bild.
Harder nutzte die letzten Sekunden des Naturereignisses auf seine Weise.
» Ihr versprecht also, nie wieder zu töten?«
» Wir töten nie mehr, Erhabener. Nie mehr. Wir werden euch Tiere opfern.«
» Keine Tiere«, entschied Harder rasch. »Wenn ihr glaubt, Opfer bringen zu müssen, dann verbrennt Kräuter und Halme. Habt ihr das alle verstanden?«
» Ja, Erhabener«, brüllten fünfhundert entsetzte Stimmen fast gleichzeitig.
» Gut. Dann sollt ihr auch das Licht der Sonne wiederhaben.« Rex Harder hatte bewusst etwas gezögert, denn erst jetzt trat der Mond über die Phase hinaus.
Sekunden später leuchtete die Sonne wieder wie eine Riesenfackel. Die Finsternis war vorbei. Rex Harder war die nun folgende Szene mehr als peinlich, aber er sah keine Möglichkeit, sie abzuwenden. Er kam sich in seiner Rolle als Gott der Zeit höchst unbehaglich vor.
Die Gläubigen standen auf, liefen ein paar Schritte in seine Richtung und warfen sich
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