Einst herrschten Elfen
viele treten. Der Geruch so vieler Leute, die mir nahe sind, das Weinen ihrer Seelen. Es tut mir in den Ohren weh.«
Auum hob eine Hand. »Ich bin ein TaiGethen. Ich werde dich beschützen, Takaar. In deinem Herzen weißt du, dass du mir vertrauen kannst. Bitte. Komm mit und schau es dir an. Tu es für deine Brüder und Schwestern.«
»Er zwingt mich nicht, sondern reicht mir die Hand, um mir zu helfen. Er fesselt mich nicht. Hör auf, deine Worte sind bedeutungslos. Hier gibt es keine Klippe, von der ich springen könnte. Ich gehe noch ein Stück, dann sehen wir weiter.«
Takaar ergriff Auums Hand und zog sich hoch.
»Ich lasse dich nicht im Stich.«
»Das habe ich auch immer behauptet«, erwiderte Takaar.
Auum trottete in nördlicher Richtung weiter, um auf dem alten westlichen Weg das Lager zu erreichen. Der Pfad war natürlich längst überwuchert, aber dort konnte man sicher auftreten, und außer den vorgeschobenen Spähern würde sie niemand bemerken, bis sie dem Lager schon sehr nahe wären.
Der erste Regenschauer des Morgens setzte ein. Es war ein kräftiger Guss, der auf das Blätterdach prasselte und zu ihnen herunterschoss. Tuals Kinder stimmten ihre Gesänge an. Vögel und Säugetiere, Eidechsen und Frösche bildeten einen lautstarken Begleitchor zu Gyals Tränen. Auum hätte stolz sein sollen, weil er Takaar so weit gebracht hatte, doch er wurde das Gefühl nicht los, dass er für die empfindliche Gefühlswelt des gefallenen Helden nicht genug getan hatte. Besorgt dachte er an ihre Ankunft im Lager. Komisch war das. Bevor er Takaar gefunden hatte, waren seine Fantasien voller hoffnungsfroher Gesichter, Jubelrufe und Lächeln gewesen. In den letzten Tagen waren diese durch Abscheu, Enttäuschung und Trauer ersetzt worden. Achselzucken, verzweifelte Tränen und das Vergehen des letzten Hoffnungsschimmers.
Auum schüttelte den Kopf. Der Regen half ihm, die Gedanken zu klären. Er beschleunigte seine Schritte. Takaar folgte ihm und bewegte sich mit einer Leichtigkeit, die Auum immer noch nicht begriff. Es hatte mit seiner Nähe zu den Energiebahnen zu tun, die er in der Erde spüren konnte. Auum fragte sich, ob nicht alle TaiGethen ein Jahrzehnt allein verbringen sollten – mit nichts als den Kleidern, die sie am Leib trugen, ihren Waffen und dem Überfluss, den ihnen der Regenwald bot. Um zu überleben, zu lernen und wahrhaft eins mit dem Land zu werden, das zu schützen sie geschworen hatten. Es schauderte ihn. Allein sein. Kein Priester, keine Tai-Zelle.
Takaar vernahm die Stimmen der Ynissul als Erster. Er besaß ein außerordentlich feines Gehör. Auum glaubte nicht, dass im Wald ein Geschöpf lebte, das schärfere Sinne besaß. Takaar legte Auum eine Hand auf die Schulter, und sie hielten an und kauerten sich am Ufer eines Bachs, der das Lager an zwei Seiten umgab, ins Unterholz.
»Einige baden«, sagte Takaar. »Im Lager wird viel geschwatzt. Offenbar rechnen sie nicht mit einem Angriff unserer Feinde.«
»Die Menschen haben Angst vor dem Wald«, erklärte Auum. »Sie können ihn nicht durchdringen und verstehen ihn nicht.«
»Sei da nicht so sicher. Wenn das, was ich aus der Richtung der Stadt fühle, die Ausstrahlung ihrer Macht ist, dann kommen sie voller Kraft und mit vernichtenden Waffen unter das Blätterdach. Wir dürfen uns nicht überrumpeln lassen.«
»Solange Katyett uns anführt, wird das nicht geschehen. Und jetzt bist auch du hier.«
Als Auum zu Takaar blickte, sank ihm das Herz. Er hatte sich Sorgen gemacht, der Klang der Stimmen könne ein ähnlich absonderliches Verhalten hervorrufen, wie Takaar es nach dem Sprung aus dem Boot gezeigt hatte. Was jetzt kam, war fast genauso schlimm. Takaars Hände waren ständig in Bewegung, er kratzte sich über die Handflächen, rieb sich die Hände, reinigte sich die Fingernägel, verschränkte die Finger und löste sie wieder voneinander. Er blickte in weite Ferne und war offensichtlich sehr nervös.
»Natürlich kann ich da nicht reingehen. Nicht wegen der Angst vor dem, was sie sagen könnten. Das ist nicht der Grund. Ich weiß, dass du vor allem daran denkst. Aber ich muss mich vorbereiten und wirklich darauf gefasst sein, nach so langer Zeit so vielen Elfen unter die Augen zu treten.« Er blickte Auum ganz klar an. »Das ist es. Ich muss mich vorbereiten. «
»Takaar, ich glaube nicht, dass wir so viel Zeit haben …«
»Runter!«, zischelte Takaar.
Er packte Auum an der Schulter und zog ihn flach auf den Boden. Nicht weit zu
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