Einst herrschten Elfen
und kniete vor ihm nieder. Er atmete noch.
»Er braucht Hilfe«, rief sie.
Sie drehte ihn herum und musste einsehen, dass jede Hilfe zu spät kam. Katyett ließ die Schultern hängen. Dravyn war kaum noch zu erkennen. Der größte Teil des Gesichts war verschwunden, die Augen waren Löcher voller Blut, die Lippen in Fetzen geschnitten. Aus der Kehle spritzte Blut, und die Wangenknochen waren freigelegt.
»Ruhe, mein Bruder«, sagte sie. »Hilfe ist unterwegs.«
»Lügnerin«, quetschte Dravyn heraus. Rote Blasen zerplatzten vor dem Mund. »Wenigstens muss meine Seele keine weite Reise antreten, um zu Shorth zu gelangen.«
Katyetts Träne fiel auf seinen Wangenknochen. Sie küsste ihn auf die Stirn und schmeckte sein Blut.
»Das ist richtig. Nun schlafe. Yniss möge dich schützen. Er findet anderswo eine Aufgabe für dich.«
Dravyn lächelte, dann kippte sein Kopf zur Seite, und Katyett richtete sich wieder auf. Sie betrachtete die toten Menschen auf der Wiese, die den Platz mit ihrem Blut entweihten. Im Feuerschein sah sie entsetzte Elfengesichter, nachdem Dravyn auf so schreckliche Weise gestorben war. Sie wischte sich die blutigen Hände an den Hosen ab und nahm ihre Schwerter an sich.
»Schafft die toten Menschen an den Rand des Platzes. Nutzt sie wenn nötig, um Schutzsprüche auszulösen, damit wir fliehen können. Acclan, deine Tai gehen auf das Dach. Passt auf, was draußen und drinnen geschieht. Ihr anderen, formiert euch außerhalb des Sichtfelds der Menschen. Keine dieser Abscheulichkeiten kommt dort herein, keine darf Gnade erwarten. Übergebt sie alle Shorths Zorn. Er sieht uns zu. Merrat, Grafyrre, kommt mit.«
Estok sprang auf die mit Segeltuch verschnürten Kisten, rannte bis zum Ende des Stapels, überschlug sich in der Luft und landete vor seinem nächsten Opfer. Seine Klingen sangen, schlitzten die Lederrüstung auf der Brust auf und fügten dem Gegner eine tiefe Wunde zu. Dann nahm er den Oberkörper zurück, brach dem Soldaten mit einem Tritt das Kniegelenk, wich seitlich aus und ließ ihn stürzen.
Anschließend drehte er sich um. Es war erledigt. Die Ablenkung hatte gewirkt, sie hatten ein Gemetzel veranstaltet und am Hafen siebzig Feinde ausgeschaltet. Sie waren nur fünfzehn TaiGethen, doch das Ergebnis hatte von vornherein festgestanden. Estok rief seine Zellen zu sich. Sie hatten zwei TaiGethen verloren. Er sprach Gebete für die Gefallenen und frohlockte über ihren Sieg.
Als er jemanden rennen hörte, fuhr er herum.
»Thrynn, du kommst zu spät zu diesem Vergnügen. Wie schade.«
Doch Thrynn lächelte nicht. »Sie rücken an. Es sind Hunderte. Wir müssen uns sofort zurückziehen.«
»Wie konnten sie …«
»Sie waren längst bereit. Bitte, Estok, wir müssen in den Wald zurückkehren.«
Estoks Siegesfreude war dahin. Aber so einfach wollte er nicht verschwinden. Er wollte nicht wie ein feiges Tier weglaufen. Wie Takaar.
»Nein, wir können kämpfen. Wir können siegen. Seht doch, was wir hier erreicht haben.«
Thrynn schüttelte den Kopf. »Tu, was Katyett gesagt hat. Deine Aufgabe ist erfüllt. Komm mit.«
Thrynn drehte sich um und trottete mit seinen Tai zum Küstenweg, der durch den Kirithsumpf führte. Estoks Krieger blickten ihn fragend an. Einige machten schon Anstalten, Thrynn zu folgen.
»Wir müssen sie schwächen und ihnen beweisen, dass wir sie besiegen können«, sagte er.
Auf einmal hörte Estok marschierende Stiefel. Nein, sie kamen im Laufschritt am zerstörten Lagerhaus des Hafenmeisters entlang. Eine TaiGethen rannte hinüber, um sich einen Überblick zu verschaffen, dann wich sie eilig zurück. Estok starrte sie an. Thrynn hatte Recht, es waren Hunderte. Schwerter und Magier. Estok fluchte. Rasch schwärmten die Feinde auf dem Vorplatz aus und hielten direkt auf die TaiGethen zu.
»Estok?«
Er starrte in die Richtung, in die Thrynn verschwunden war. Dieser Weg war ihnen jetzt versperrt.
»Wir dürfen sie nicht zu Katyett führen. Tai, wir kämpfen. «
Über ihren Köpfen explodierten die ersten Sprüche.
In einem Schauer aus Glassplittern kam Auum mit beiden Füßen auf dem marmornen Altar auf. Er ging in die Hocke und rollte sich zur Seite ab, um den Aufprall abzufangen. Am Rand des Kreises verharrte er in der Hocke. Die Menschen starrten ihn ungläubig an. Takaar und Marack landeten neben ihm.
»Wohin?«, fragte Auum.
»Zuerst in den linken Arm«, entschied Marack. »Los.«
Ohne auf die Wächter und Priester in der Haupthalle zu
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