Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt
berechenbar. Und dieMöglichkeit dieser Berechnung wurzelt, wie so vieles vordem Ungeahnte, in der Einsteinschen Relativitätstheorie.
Einstein äußerte zuerst ganz sachlich und ohne im geringsten zu verraten, daß hier an ein staunenswertes Weltproblem gerührt würde:
»Nach der Relativitätstheorie besteht eine berechenbare Beziehung zwischen Masse, Energie und Lichtgeschwindigkeit . Die Lichtgeschwindigkeit (wie üblich, als c bezeichnet) ist gleich 3 mal 10 zur 10ten Potenz. Mithin c im Quadrat gleich 9 mal 10 zur 20sten, also rund 10 zur 21sten Potenz. Dieses c² spielt eine wesentliche Rolle. Bezieht man in die Rechnung das mechanische Wärme-Äquivalent, das heißt das Verhältnis von Energie zu Wärme, so erhält man für je ein Gramm 20 mal 10 zur 12ten, gleich rund 20 Billionen Kalorien.«
Den Sinn dieser knappen physikalischen Aussage in ihrer Bedeutung für die Praxis des Lebens werden wir zu erläutern haben. Sie operiert nur mit einem ganz geringen Aufgebot hinschreibbarer Ziffern und umschließt dabei eine Welt, öffnet eine Perspektive von Weltenweite!
Um die Erörterung zu vereinfachen, sinnfälliger zu gestalten, denken wir zunächst nicht an den uferlosen Begriff der Substanz im allgemeinen, sondern an eine bestimmte Substanz, sagen wir: an Kohle. Und unerheblich genug sieht es wohl auf den ersten Blick aus, wenn wir das Thema hinsetzen:
»Ein Gramm Kohle«.
Es wird sich bald zeigen, was es mit diesem einen Gramm Kohle auf sich hat, wenn wir versuchen, jene nackten Ziffern in eine mit dem Leben zusammenhängende Anschaulichkeit zu übersetzen. Ich versuchte dies schon in jenem Gespräch, und war Einstein dankbar, als er einwilligte, die Betrachtung der leichteren Faßlichkeit wegen auf den für die Weltwirtschaft bedeutungsvollsten Brennstoff zu präzisieren.
Als ich in meiner Studentenschaft Maienblüte zu den Füßen Wilhelm Dove's saß, verblüffte uns dieser berühmte Forscher durch folgende Auseinandersetzung: Wenn ein Mensch es unternimmt, den höchsten Berg Europas zu ersteigen, so vollbringt er damit eine Kraftleistung, die, nach seinem Eigenmaß taxiert, etwas Gewaltiges darstellt. Der Physiker lächelt dazu und sagt einfach: »zwei Pfund Kohle«. Er meint damit: Aus zwei Pfunden Kohle läßt sich durch Verbrennung eine Kraftmenge gewinnen,die ausreicht, um das Gewicht eines erwachsenen Menschen zur Höhe der Montblanc-Spitze zu heben.
Vorausgesetzt wird dabei natürlich eine ideal konstruierte Maschine, welche die Verbrennungswärme ohne Verlust in Arbeitsleistung verwandelt. So eine Maschine gibt es freilich nicht, aber sie ist sehr gut denkbar, wenn wir uns die Unvollkommenheiten der von Menschenhänden gefertigten Maschine als ausgeschaltet vorstellen.
Solche Nutzwärme wird in Kalorien ausgedrückt. Eine Kalorie entspricht dem Wärmequantum, das nötig ist, um die Temperatur der Wassereinheit um ein Grad Celsius zu steigern. Und nun besagt der Satz von der mechanischen Äquivalenz, der sich auf die Untersuchungen von Carnot, Robert Mayer und Clausius gründet: Durch den Verbrauch einer (Kg-)Kalorie kann die Arbeit von 425 Kilogrammeter, das heißt die Hebung von 425 Kilo, um 1, oder die von 1 Kilo um 425 Metern, geleistet werden. Dove ging also bei seiner Ansage noch recht bescheiden zu Werke, denn aus 2 Pfund Kohle lassen sich 8000 (Kilogr.-)Kalorien entwickeln, also sehr erheblich mehr als für die Montblanctour erforderlich ist.
Wie würde aber Dove selbst gestaunt haben, wenn ihm eine Ahnung die Berechnung von heute verraten hätte! Aus den paar Tausenden sind viele Billionen geworden, die wir anzusetzen haben, wenn wir die verborgenen, durch keinen Brennprozeß hervorzulockenden Kräfte ausdrücken wollen.
Als Dove vortrug, lebte Einstein noch nicht, und als Einstein seine Relativitätstheorie entwickelte, war Dove längst dahingegangen. Mit ihm die physikalische Kleintaxe der in der Substanz eingesperrten Kraftmengen. Das Verhältnis dieser zur nunmehrigen Großtaxe ist gar nicht auszudenken. Es wäre schon schwindelerregend, wenn die neue Berechnung in die Millionen ginge. Wir haben aber in Gedanken den Schritt zur Billionen-Ordnung zu vollziehen. Das spricht sich nach Silbenklang beinahe gleich aus. Aber die Million verhält sich zur Billion wie die Breite einer durchschnittlichen Berliner Straße zur Breite des Atlantischen Ozeans. Wo bleibt da der Montblanc? Er müßte durch einen Gipfel von 80 Millionen Kilometer Höhe ersetzt werden, und da solche
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