Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt
Arbeit mit einer glatten Kohlenrechnung beikommen könne. Und das entspricht ja wohl auch der Meinung Einsteins, die hier um so bedeutsamer auftritt, als seine eigene Lehre auf das Höchstmaß des Krafteffekts hinweist, wenn auch nur rein theoretisch. *
Immerhin bleibt es bestehen, daß jede Steigerung des Kraftgewinns, auf das Kilo Kohle bezogen, für uns eine Erleichterung des Lebensdrucks bedeuten müßte, es fragt sich nur: innerhalb welcher Grenzen.
Erstlich: vermag die Technik mit ihren heut übersehbaren Möglichkeiten überhaupt noch eine Gewähr für die Zukunft zu übernehmen? Vermag sie die Nutzwirkung so zu strecken, daß wir uns beruhigt auf die im Erdinnern schlummernden Schätze an schwarzen Diamanten verlassen dürfen?
Offenbar nicht. Denn hier haben wir es mit annähernd abschätzbaren Quantitäten zu tun. Und wenn wir auch aus dem Kilo das Dreifache, das Zehnfache an Nutzkalorien herausholen, so steht daneben eine böse Gegenrechnung, die uns voraussagt: diese Herrlichkeit nimmt ein Ende!
In allen Peinlichkeiten der von uns durchlebten Kohlennot konnten wir uns freilich immer noch an dem tröstlichen Gedanken aufrichten, daß ja eigentlich genug vorhanden wäre, und daß es nur darauf ankäme, Stockungen zu überwinden. Tatsächlich ist ja in Deutschland von der Reichsgründung bis zum Weltkriege die Kohlenförderung in stetem Aufschwung emporgestiegen, und man könnte sich ausrechnen, daß trotz der gewaltigen Entnahme in den deutschen Schwarzkammern immer noch mindestens für zweitausend Milliarden an Wert lagerte, zum Goldkurs der Mark angenommen. Nichtsdestoweniger sagen uns die Geologen und Fachmänner des Bergbaus, daß aller Vorrat bei uns nicht länger reichen könnte, als für 2000 Jahre, England würde in 700, Frankreich in 500 Jahren fertig sein. Selbst wenn wir der Erschließung neuer Felder in andern Erdteilen allen Spielraum gewähren kommen wir nicht über die Tatsache hinweg, daß die Sonne in den vorzeitlichen Farnwäldern doch nur einen bestimmbaren, erschöpfbaren Betrag eingespeichert hat, und daß die Menschheit in wenigen Jahrtausenden vor dem Kohlenvakuum stehen wird.
Wenn nun wirklich die Kohle das Maß aller Dinge ist, die Lebensmöglichkeit einzig auf Kohle gestellt wäre, so hätten wir für ferne Enkel nicht nur den Rückfall in Barbarei, sondern den Nullpunkt des Daseins zu erwarten. Und wir brauchten uns eigentlich nicht mit dem Entropietod des Universums zu beschäftigen, da uns der Eigentod auf dem Erdplaneten unendlich viel näher angrinst.
Auf diesem Punkt der Betrachtung eröffnete Einstein Ausblicke, die durchaus seiner Grundmeinung von der Unhaltbarkeit der ganzen Kohlevoraussetzung entsprachen. Es sei durchaus keine Utopie, daß die wissenschaftliche Technik noch ganz andere Wege zur Krafterschließung finden würde, direkt aus der Sonnenbestrahlung, aus der Wasserbewegung, aus der Flut des Ozeans, aus den Kraftreservoiren der Natur, unter denen der vorhandene Kohlenvorrat nur ein einzelnes Bassin bedeute. Seit Beginn der Kohlenwirtschaft haben wir nur von dem Abhub eines uralten Kapitals gezehrt, das in den Tresors der Erde eingemauert lag. Vermutlich sind die Zinsen des aktuellen Kraftkapitals viel bedeutender als alles, was wir aus dem Depositum der Vorzeit herausholen können.Zur Taxierung dieses aktuellen, von Kohle gänzlich unabhängigen Kapitals mögen einige Angaben dienen: Betrachten wir eine ganz winzige Wasserader, eine Null im Wassergetriebe der Erde, den Rheinfall bei Schaffhausen, der zwar dem Beschauer sehr mächtig vorkommt, aber doch nur darum, weil er nicht einen planetarischen, sondern den touristischen Maßstab mitbringt. Aber selbst diese Bagatelle im Haushalt der Natur stellt einen für uns recht erheblichen Nutzwert dar: 200 Kubikmeter über eine 20 Meter hohe Terrasse ergeben einen Betrag von 67 000 Pferdestärken, gleich 50 000 Kilowatt. Diese Kaskade allein wäre imstande, eine Million 50 kerziger Glühlampen dauernd auf Leuchtstärke zu erhalten, und nach heutigem Tarif müßte man ihr dafür mindestens 70 000 Mark pro Stunde bezahlen. Dem Kohleanbeter wird eine andere Umrechnung noch eindringlicher erscheinen: Der Rheinfall von Schaffhausen ist im Werte einem Bergwerk äquivalent, das an jedem Tag 145 Tonnen vorzüglichster Braunkohle liefert. Setzen wir statt seiner den Niagarafall, so müßten wir diese Ergebnisse noch etwa mit 80 multiplizieren.
Und welchen Multiplikator hätten wir erst einzusetzen, um auch nur
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