Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt
verfügbar zu werden.
Wäre die Behauptung, »die Kohle ist das Maß aller Dinge«, restlos gültig, so müßte sie jeder besonderen Frageprobe standhalten. Man braucht diese aber nur auf Einzelheiten zu präzisieren, um zu erkennen, daß die These versagt. Zum Beispiel, so äußerte Einstein: Noch soviel Kohle, noch so zweckdienlich verwendet, vermag keine Baumwolle zu erzeugen. Gewiß würde sich die Baumwollenfracht verbilligen, allein niemals könne im Baumwollenpreis der durch Menschenkraft dargestellte Wertfaktor verschwinden.
Höchstens ist zuzugeben, erklärte Einstein, daß bei weiterer Steigerung des Kohle-Nutzeffektes mehr Menschen existieren könnten, als heute möglich, daß also die Übervölkerungsgrenze weiter hinausrückt. »Aber man darf hieraus keineswegs folgern, daß dies für die Menschheit ein Glück wäre. ›Maximum ist kein Optimum!‹ Wer das Maximum kurzweg als das Höchstmaß des Guten verkündet, der verfährt so, wie einer, der in der Atmosphäre die Atmungsgüte der Gase abwägt, mit dem Ergebnis: der Stickstoff in der Luft ist schädlich, man verdopple also ihren Sauerstoff, und man wird der Menschheit eine große Wohltat erweisen!«
* Die Zeichen * . . . * und [ . . . . ] deuten durchweg an, daß die betreffenden Stellen wesentlich als Ergänzungen aufzufassen sind, die mir zum leichteren Verständnis der dialogischen Ausführungen geeignet erscheinen. Sie stützen sich natürlich in vielen Punkten auf Äußerungen Einsteins, enthalten aber auch Betrachtungen, die auf andere Quellen zurückgehen, zudem Ansichten und Schlüsse, die, wie schon im Vorspruch erwähnt, durchaus auf Rechnung des Herausgebers entfallen. Mit den Begriffen »Richtig – Unrichtig« ist hier wohl nicht durchzukommen, denn auch die bestreitbare Ansicht kann sich im Sinne der Gespräche als förderlich oder als anregend erweisen. Wo es der Zusammenhang verstattete, habe ich solche Stellen, bei denen Einstein korrigierend oder ablehnend eingriff, ausdrücklich hervorgehoben. An anderen Orten unterließ ich dies, zumal dann, wenn der Gegenstand der Unterhaltung eine ruhige Entwickelung verlangte. Es wäre unvorteilhaft für die Darstellung gewesen, wenn ich in solchen Fällen jede Gegenbemerkung des Partners im breiten Fluß der Erläuterung protokolliert hätte.
Mit diesem eindringlichen Gleichnis ausgerüstet, kann man nun auch die Grundlage der Siemens'schen Ansage einer erneuten Prüfung unterziehen, und man wird entdecken, daß schon in diesen Prämissen etwas von der petitio principii steckt, die späterhin in der radikalen Einseitigkeit »Kohle ist alles« zum Ausdruck kommt.
Scheinbar wie aus Quadern gefügt, baut sich diese ersteAnsage vor uns auf: Kohle ist Sonnenenergie, – soweit unbestreitbar. Denn die gesamten Kohlenvorräte, die in der Erde schlummern, waren vorerst herrliche Pflanzen, dichte Farnwälder, die von der Last der Jahrmillionen zusammengedrückt, uns das aufgespart haben, was sie vordem aus Sonnenstrahlen an Lebensnahrung eingeschluckt hatten. Unbedingt stimmen mag auch der Parallelsatz: Am Anfang war nicht das Wort, nicht die Tat, – am Anfang war die Sonne. Die von der Sonne zur Erde gesendete Energie ist für die Menschen die einzige unumgängliche Vorbedingung zur Tat. Die Tat ist Arbeit, und Arbeit bedingt das Leben. Aber sogleich geraten wir an eine ungerechtfertigte Gedankenspaltung, denn der Verfasser fährt fort: » ... Kohle ist Sonnenenergie, daher ist Kohle nötig, um arbeiten zu können ...«, und damit sitzen wir schon in einem logischen Fehler: das so siegesfest auftretende »Ergo« hat ein Loch. Denn auch außerhalb der in Kohle verwandelten Sonnenenergie umfängt uns die Wärme des Muttergestirnes und versieht uns mit der Möglichkeit der Arbeit. Der Siemens'sche Schluß ist, rein logisch genommen, wie die Behauptung: Graphit ist Sonnenenergie; folglich ist Graphit nötig, um arbeiten zu können. Richtig ausgedrückt muß es heißen: Kohle ist unter den heutigen Lebensbedingungen das wichtigste, wenn auch nicht ausschließliche Vorelement der menschlichen Arbeit.
Wenn zudem die volkswirtschaftliche Lehre vorgetragen wird: »Im Sozialstaat kommt nur die notwendige menschliche Arbeitskraft in Frage und der Kraftbedarf, zu dessen Erzeugung Kohle, also wiederum Arbeit erforderlich ist«, so wird damit keineswegs, wie Siemens anzunehmen scheint, die Behauptung vertreten, man könne aus Arbeit Kohle machen. Wohl aber, daß man nicht aller sonnenenergetisch begründeten
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