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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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schätzungsweise die Energie zu erfassen, welche die atmende Erde in Form der Gezeiten um sich wälzt! Der Astronom Bessel und der Physiker-Philosoph Fechner haben einmal versucht, in diesen Vorgängen die Spur einer vergleichenden Anschaulichkeit aufzufinden: An der größten ägyptischen Pyramide haben 360 000 Menschen 20 Jahre zu bauen gehabt, ihr Inhalt beträgt doch nur etwa den millionsten Teil einer Kubikmeile; und vielleicht mißt alles, was die Kräfte des Menschen und alle ihm zu Gebote stehenden Mittel seit der Sintflut bis jetzt von der Stelle bewegt haben, noch nicht eine Kubikmeile. Wohingegen die Erde in ihrer Flutbewegung jeden Vierteltag an 200 Kubikmeilen Wasser aus je einem Viertel des Erdumfangs in den andern schafft. Hiernach leuchtet es ein, daß alle Kohlenbergwerke der Erde uns vollkommen gleichgültig sein könnten, wenn es uns gelänge, von der Pulskraft der Erde auch nur irgendwelchen Teil für menschliche Betriebe nutzbar zu machen.
    Sollten wir aber auf die Kohle angewiesen bleiben, so klammert sich die Phantasie um so intensiver an jenes Ungeheure, das sich, aus der Relativitätslehre erfließend, unter dem Ausdruck mc² gezeigt hatte.
    Die 20 Billionen Kalorien, die in jedem Kohlegramm stecken, lassen uns nicht mehr los. Und wenn auch Einstein ansagt, für deren jemalige Gewinnung läge vorläufig nicht das leiseste Anzeichen vor, so folgen wir doch einem unzähmbaren Trieb, indemwir uns ausmalen, was es bedeuten würde, wenn es gelänge. Die Bilder aus Hesiod, Aratus und Ovid steigen in uns auf mit ihrem Ablauf der Zeitalter vom goldenen bis zum eisernen, und wir möchten so gern in zyklischer Fortsetzung weiter denken, um uns aus der Fron des eisernen, des kohlenen Zeitalters in ein neues goldenes zu retten. Mit dem Vorrat, wie er auf einem städtischen Lagerplatz gestapelt liegt, wäre die ganze Welt auf unabsehbare Zeit zu versorgen. Alle Nöte des Hausbrands, des Maschinenbetriebs, der mechanischen Warenerzeugung müßten verschwinden, sämtliche in die Kohlenförderung eingespannten Menschenkräfte würden für den Landbau frei werden, alle Eisenbahnen und Schiffe liefen fast kostenlos, über die Menschheit käme eine unfaßbare Welle des Glücks. Ende der Kohlennot, der Frachtnot, der Versorgungsnot! Wir könnten endlich aus der Mühseligkeit des in hitziger Arbeit verstümmelten Tages emportauchen zu den lichten Sphären, wo die wahren Lebenswerte uns erwarten. Gar zu verlockend klingt jener physikalische Sirenengesang mit dem hohen »C«, mit der Lichtgeschwindigkeit in zweiter Potenz, die wir als einen Faktor in der geheimen Energie kennengelernt haben.
    Aber es ist nichts damit. Denn Einstein, dem wir jene wunderverheißende Formel verdanken, leugnet nicht nur deren praktische Verwendbarkeit, sondern er führt noch ein anderes Argument ins Treffen, um uns aus allen Himmeln zu stürzen. Gesetzt nämlich, so erklärte er mir, es wäre möglich, jene immense Energieentwickelung zu bewirken, so würden wir damit nur an ein Zeitalter gelangen, gegen welches die kohlenschwarze Gegenwart als golden gepriesen werden müßte.
    Und es ist leider unausweichlich, sich diesem Gedankengang anzupassen. In dessen Grunde sitzt die uralte Weisheit μηδεν αγαν ne quid nimis, nichts im Übermaß. Für den vorliegenden Fall: ein solches Maß entfesselter Gewalt würde nicht dienen, sondern nur zerstören. Der Verbrennungsprozeß, mit dem wir uns beholfen haben, leitet von selbst auf das Bild eines Ofens, in dem wir uns die allgemeine Werktätigkeit vorstellen können. Und man soll einen Ofen nicht mit Dynamit heizen wollen.
    Gäbe es eine Technik der genannten Art, so wäre sie vermutlich auch nicht im geringsten Grade regulierbar. Es geht nicht an, zu sagen: wir wollen nur einen gewissen Teil jener 20 Billionen Kalorien in Anspruch nehmen, wir wären froh, wenn wir die 8000 Kalorien von heute um das Hundertfache zu steigern vermöchten. Nein, wenn wir – par impossible – die Atome zermalmen, so kommen vermutlich die Billionen ungebändigt über uns. Unddem wäre die Menschheit nicht gewachsen, vielleicht nicht einmal der feste Grund, auf dem wir stehen.
    Keine Erfindung bleibt Reservat Weniger. Vermöchte es selbst ein vorsichtiger Techniker, eine praktische Heizwirkung oder Treibwirkung aus den Atomen zu entwickeln, so könnte der nächstbeste Unberufene mit geringem Substanzquantum eine ganze Stadt in die Luft sprengen. Und der erste menschenfeindliche Selbstmörder, den es

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