Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt
Humboldt und Goethe. – Lionardo da Vinci. – Helmholtz. – Robert Mayer und Dühring. – Gauß und Riemann. – Max Planck. – Maxwell und Faraday.
Ich hatte mir vorgenommen, Einstein über eine Reihe berühmter Männer zu befragen, nicht eigentlich über das rein Tatsächliche ihres Lebens und ihrer Werke, denn das wäre ja auch anderweit erhältlich, war mir zudem in vielen Punkten nicht ganz unbekannt. Aber wie sich eine Größe an der andern mißt, das zu erfahren bietet doch besonderen Reiz, man erblickt manche Persönlichkeit in veränderter Rangordnung und Perspektive und gelangt wohl dazu, in sich selbst die Ansicht über deren Höhenstellung zu berichtigen.
Eigentlich hatte ich mir hierzu eine Liste entworfen, die im Gebiet der Physik und ein wenig darüber hinaus eine Menge glanzvoller Namen umspannte. Wie eine Tabelle, aus der sich der Katalog einer Walhalla hätte entwickeln können. Und ich dachte es mir sehr schön, diese Ruhmesburg mit Einstein zu durchstreifen; haltzumachen vor den Sockeln, auf denen die Büsten standen der Großen, die trotz ihrer Menge allzeit die Wenigen bleiben, die Vielzuwenigen im Verhältnis zu den Vielzuvielen, die als Fabrikware der Natur die Erde bevölkern. Wenn man erst anfängt, so eine Liste zu notieren, so gewahrt man bald, daß diese Walhalla gar kein Ende nimmt. Und man denkt an das Ruhmesbauwerk der nordischen Sage, an die mythologische Walhalla, deren Saal sich so hoch spannte, daß man den Giebel nicht erblicken konnte, und so weit, daß man beim Eintritt die Auswahl hatte unter 540 Türen.
In Wirklichkeit entsprach unsere Wanderung nicht im entferntesten diesen Ausmaßen. Und das kam in der Hauptsache daher, daß wir bei Newton angefangen hatten. So reizvoll es ist, Einstein über Newton sprechen zu hören, so ergibt sich doch ein Übelstand dadurch, daß man von dessen Büste am Hauptportalnur schwer loskommt; und vielfach zu ihr zurückkehrt, selbst, wenn man schon glaubt, die anderen unübersehbaren Wege stünden frei zur beliebigen Auswahl.
Die Wirklichkeit bot auch bildlich genommen einen erheblichen Gegensatz zu den legendären Größenmaßen. In Einsteins Arbeitsstube treten dem Besucher allerdings persönliche Physiognomien entgegen, nicht Büsten, sondern Wandbilder, und es wäre recht verwegen, von dieser kleinen Porträtsammlung wie von einem Museum zu reden. Nein, das ist sie bestimmt nicht, denn ihre Katalognummer reicht von eins bis drei. Aber hier wirken sie als besondere Trinität, unter dem Blick Einsteins, der sie in Anbetung leuchtend betrachtet. Ihm haben sie Unermeßliches zu sagen, dieser Faraday , das schöne Barthaupt Maxwells , zwischen ihnen Newton mit der Allongeperücke, in einem vortrefflichen englischen Stich, der mit symbolischen Insignien das bedeutende Haupt umrahmt.
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Nach Schopenhauer ist das Maß der Verehrung, das einer in sich aufbringt, zugleich das Maß seines eigenen Geisteswertes. Sage mir, wie stark du verehren kannst, und ich werde dir sagen, wer du bist. Bei Einstein wäre es gewiß nicht nötig, diese Qualität besonders zu unterstreichen, denn man hätte ja auch sonst einige Anhalte, um seinen Wesensgrad genügend festzustellen. Aber ich nenne sie ausdrücklich, um auf den Unterschied hinzuweisen zwischen einem revolutionierenden Forscher und revolutionierenden Stürmern auf andern Gebieten. Zumal im Felde der Kunst wird man heute bei den neuernden Umstürzlern nur selten die eingeborene Gabe des Respekts antreffen. Sie kennen keinen anderen Propaganda-Ausdruck, als die leidenschaftliche Abkehr von dem historisch Gewordenen, ihr Rückblick ist Verachtung, ihr Bekenntnis die ausschließliche Anbetung des Allerletzten, des kleinen um ihr Ich geschlagenen Gegenwartskreises. Der Horizont des Forschers zeigt einen anderen Radius. Und er verbürgt sich selbst die Zukunft, indem er seinen Dank für das Vergangene wachhält. Wohl keiner ist unter ihnen vorhanden, der sich dieses Kennzeichens entäußert. Aber ich möchte betonen, daß unter allen mir persönlich bekannten Gelehrten Einstein derjenige ist, der am liebevollsten anerkennt. Es kommt wie schwärmerische Verklärung über ihn, wenn er von großen Männern redet, von denen, die ihm groß erscheinen. Gewiß, seine Walhalla ist nicht die desKonversationslexikons, und mancher, der unsereinem noch als Sirius vorschwebt, ist ihm schon unter die sechste Größenklasse gesunken. Aber reich bestückt bleibt ihm der Wissenschaftshimmel trotzdem, und die
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