Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
Vom Netzwerk:
wiederum wies Einstein auf die Universalität des Newtonschen Geistes hin, dem ohne Zweifel die Geltungsweite seines Gesetzes bewußt war. Dieses reicht so weit, wie alle Erfahrung und Beobachtung, ist aber nicht a priori gegeben; ebensowenig wie die Galilei'sche lex inertiae . Es wäre sehr wohl möglich, daß jenseits der möglichen Erfahrung ein unerforschbares Universum existierte, mit einem andern Grundgesetz, das gleichwohl der Forderung vom zureichenden Grunde nicht widerspricht.– –
    Die Antithese: Einfachheit – Kompliziertheit führte das Gespräch auf eine kurze Seitenwendung aus Anlaß eines von mir zitierten Beispiels, das ich hier nennen möchte, obschon dessen Zulässigkeit in diesem Zusammenhang bestreitbar erscheinen mag.
    Wie für die Anziehung, müßte es doch auch, so sollte man denken, für den Widerstand ein durchgreifendes Gesetz geben.Und wenn in der Anziehung die Proportionalität umgekehrt dem Quadrat der Entfernung gilt, so wäre es doch, so meinte ich, eine sehr schöne Analogie, wenn für den Widerstand ein ähnliches Gesetz gälte mit direkter Proportionalität. Tatsächlich hat es Physiker gegeben, die dergleichen verkündeten, und ich selbst habe es vom Katheder gehört: die Wirkung eines widerstehenden Mittels, zum Beispiel des Luftwiderstandes gegen ein fliegendes Geschoß, äußert sich proportional dem Quadrat der jeweiligen Geschwindigkeit.
    Dieser Satz ist falsch. Wäre er richtig, durch das Experiment sichergestellt, so würde man in ihm vermutlich die einzig mögliche und unmittelbar einleuchtende Form des Widerstandsgesetzes erblicken. Wenigstens wäre ein logischer Grund nicht aufzufinden, der dagegen stritte.
    Hier aber herrscht, wie Einstein es ausdrückt, »eine unreine Beziehung«, das heißt, wir sind nicht imstande, eine genaue Beziehung zwischen der Geschwindigkeit des fliegenden Körpers und dem Luftwiderstand hinzustellen.
    Jene – fälschliche – Annahme operierte tatsächlich durchaus nicht unlogisch und schien auf guter physikalischer Basis zu stehen. Denn, so sagte man, mit der doppelten Geschwindigkeit muß doch die doppelte Luftmasse verdrängt werden, also muß sich wohl der vierfache Widerstand ergeben. Die Experimente aber widersprachen radikal. Nicht einmal von einem Annäherungsgesetz kann man reden, höchstens bei ganz geringen Geschwindigkeiten. Bei größeren treten statt der quadratischen nahezu kubische oder noch kompliziertere Verhältnisse auf. Die Photographien fliegender Geschosse haben gezeigt, daß der Widerstand eines fliegenden Geschosses von der Erregung einer starken Kopfwelle, von der Reibung am Projektilkörper und dazu von Wirbeln hinter dem Projektil herrührt, von ineinanderwirkenden Faktoren, die gänzlich verschiedene Gesetze befolgen und sich auf eine Formel überhaupt noch nicht bringen lassen. Hier liegt mithin in den Erscheinungen eine starke Komplikation vor, für die Analyse eine kaum überwindbare Schwierigkeit. Zu deren Charakterisierung diene ein schönes Merkwort:
    In einer Unterredung mit Laplace hat Fresnel geäußert, daß die Natur sich aus analytischen Schwierigkeiten nichts mache. Nichts gibt es einfacheres, als das Newton'sche Gesetz, bei aller Kompliziertheit der Planetenbewegungen; »hier verhöhnt die Natur«, sagt Fresnel, »unsere analytischen Schwierigkeiten, sie wendet nur einfache Mittel an und erzeugt durch deren Verbindung ein nahezu unlösliches Gewirre. In diesem ist dieEinfachheit versteckt , und wir müssen sie erst entdecken !« Nur daß diese Einfachheit, wenn sie gefunden wird, sich durchaus nicht in einfachen Formeln ausspricht; und daß auch die letzte jemals zu ergründende Einfachheit auf gewisse hypothetische Voraussetzungen hinweist.
    »Hypotheses non fingo!« Das Newton'sche Wort bleibt zu Recht bestehen, wenn man ihm Einsteins Interpretation gewährt: »Er wollte in der ursächlichen Analyse nur bis zum unbedingt Notwendigen zurückgehen.« Mir lag daran, die von Einstein angeschlagene Spur weiter zu verfolgen, und ich bemerkte, daß jener Ausspruch tatsächlich von vielen Autoritäten der Wissenschaft falsch betont und danach falsch gedeutet wurde. Selbst Mill und der große Fachgelehrte William Whewell haben sich in dieses Mißverständnis verstrickt. Um einem Neueren die Ehre zu geben: der Hallenser Professor Vaihinger war feinhörig genug, um die wahre Betonung zu erlauschen; und seit der Aufklärung vollends, die uns Einstein gab, wird wohl ein Zweifel betreffs des wahren Sinnes

Weitere Kostenlose Bücher