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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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Linie den Newton samt dem Kepler entbehrlich zu machen. In einer Ausführung von geradezu komischer Wortscholastik beweist er die Notwendigkeit der Ellipse, die die Grundform der Planetenbewegung darstellen müsse, ohne daß man im geringsten nötig hätte, die Newton'schen Gesetze,die Kepler'schen Feststellungen und deren mathematische Zusammenhänge zu bemühen. Und wirklich gelangt Hegel in einem Wortschwall von betäubender Sinnlosigkeit dazu, das zweite Kepler'sche Gesetz auf seine Weise zu paraphrasieren. Es liest sich wie ein Abschnitt aus einer Karnevalszeitung, von Wissenschaftlern in Weinlaune zur Selbstverulkung verfaßt.
    Aber auch diese Extravaganzen gehören zur Beleuchtung Newtons, dessen Genialität gerade da am schönsten zutage tritt, wo es gilt, eine kosmische Bewegungserscheinung in der einfachsten, voraussetzungslosesten Weise evident zu machen. Hier gibt es keine Vorläuferschaft, nicht einmal die Bezugnahme auf sein eigenes Gravitationsgesetz. Tatsächlich hat Newton in einer gradezu triumphalen Darstellung offenbart, daß jenes zweite Keplergesetz zu den Dingen gehört, die sich eigentlich von selbst verstehen.
    An und für sich betrachtet, bietet nämlich dies Gesetz demjenigen, der zum erstenmal davon Kenntnis erhält, eine beträchtliche Denkschwierigkeit. Jeder Planet bewegt sich in einer Ellipsenlinie, gut, das wird hingenommen. Aber dann liegt für den Unkundigen die Folgerung nahe: in gleichen Zeiten wird der Planet wohl gleiche Bogenlängen beschreiben. Nein, sagt Kepler, das tut er keineswegs, die Bogenlängen sind ungleich. Aber man verbinde jeden Punkt der Ellipsenbahn mit einem bestimmten Innenpunkt durch eine gerade Linie – man nennt diese Radius vector –, so ergibt sich folgendes: nicht die Bögen, wohl aber die vom Radius vector überstrichenen Flächenräume (die Sektoren) sind in gleichen Zeiten immer gleich groß.
    Warum wohl? Das ist a priori nicht einzusehen. Aber man könnte sich denken: da hier die Anziehung der Sonne regiert, so wird das wohl mit der Newton'schen Gravitation zusammenhängen, und besonders mit dem umgekehrten Quadrat der Entfernung. Und man könnte weiter schließen: wenn etwa in der Welt ein anderes Gravitationsprinzip regierte, so müßte wohl auch das Keplergesetz eine andere Form annehmen.
    Hier tritt nun eine gerade durch ihre Einfachheit wunderbare Tatsache ans Licht. Newton stellt den Satz auf: »Nach welchem Gesetz auch immer eine beschleunigende Kraft von einem Zentrum auf einen frei bewegten Körper einwirken mag, stets wird der Radius vector während gleicher Zeitspannen gleiche Flächenräume durchstreichen.«
    Nichts wird vorausgesetzt, als die Trägheit (lex inertiae) und ein ganz klein wenig Schulmathematik; nämlich nur der Elementarsatz, daß Dreiecke von gleicher Basis und Höhe einander gleichsind. Freilich, wie dieser Dreiecksatz aus der einfachen Zeichnung Newtons herausspringt, das wirkt erstaunlich, man spürt förmlich die Lösung eines kosmischen Problems in wenigen, leicht überschaulichen Strichen, man empfindet sie wie ein Erlebnis.
    Das Theorem mit seinem Beweis steht in Newtons Hauptwerk Philosophiae naturalis principia mathematica . Philosophie und Mathematik in Durchdringung, ja in Identität, lieferten ihm die natürlichen Prinzipien des Erkennens. *
    Einen sehr wertvollen Aufschluß gab mir Einstein über Newtons berühmten Ausspruch »Hypotheses non fingo«. Newton mußte sich doch, so meinte ich, dessen bewußt sein, daß eine gänzlich hypothesenfreie Wissenschaft nicht aufgebaut werden kann. Ist doch selbst die Geometrie an den kritischen Punkt gekommen, an dem Gauß und Riemann ihre hypothetischen Grundlagen nachgewiesen und aufgedeckt haben.
    Darauf sagte Einstein: Betonen Sie den Satz richtig, und sein Sinn wird Ihnen richtig aufgehen! Der Akzent ruht nicht auf dem ersten Wort, sondern auf dem letzten. Nicht von den Hypothesen wollte Newton sich frei wissen, vielmehr nur von der Annahme, daß er sie außerhalb der strengen Notwendigkeit fingiere . Newton wollte also sagen: Ich gehe in der ursächlichen Analyse nicht weiter zurück, als unbedingt notwendig.
    Sollte nicht, erlaubte ich mir zu bemerken, zu Newtons Zeit der Verdacht gegen das Wort »Hypothese« überhaupt stärker auf den Gelehrten gelastet haben, als heute? Dann würde doch die scharfe Abwehr Newtons noch um ein Grad verständlicher sein. Oder sollte er den Glauben gehegt haben, daß sein Weltgesetz das allein in aller Natur mögliche wäre?
    Und

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