Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt
und sich ruhigen Linien anschmiegt, die für die Ewigkeit geschaffen scheinen. Zu diesem negativen Motiv aber gesellt sich ein positives: der Mensch sucht in ihm irgendwie adäquater Weise ein vereinfachtes und übersichtliches Bild der Welt zu gestalten und so die Welt des Erlebens zu überwinden, indem er sie bis zu einem gewissen Grade durch dies Bild zu ersetzen strebt. Dies tut der Maler, der Dichter, der spekulative Philosoph und der Naturforscher, jeder in seiner Weise. In dies Bild verlegt er den Schwerpunkt seines Gefühlslebens, um die Ruhe und die Festigkeit zu gewinnen, die er im engen Kreise der wirbelnden persönlichen Erlebnisse nicht finden kann.
»Was für eine Stellung nimmt das Weltbild des theoretischen Physikers unter allen möglichen Bildern der Welt ein? Er stellt die höchste Anforderung an die Straffheit und Exaktheit der Darstellung, wie sie nur die Benutzung der mathematischen Sprache verleiht. Aber dafür muß sich der Physiker stofflich um so mehr bescheiden, in der Beschränkung auf die allereinfachsten Vorgänge unseres Erlebens, während alle komplexeren Vorgänge nicht mit jener subtilen Genauigkeit und Konsequenz, wie sie der Physiker fordert, durch den menschlichen Geist nachkonstruiert werden können ... Verdient das Ergebnis einer so resignierten Bemühung den stolzen Namen ›Weltbild‹?
»Ich glaube, der stolze Name ist wohlverdient, denn die allgemeinsten Gesetze, auf die das Gedankengebäude der theoretischen Physik sich gründet, erheben den Anspruch, für jegliches Naturgeschehen gültig zu sein. Aus ihnen sollte sich, auf demWege reiner gedanklicher Deduktion die Abbildung, d. h. die Theorie eines jeden Naturprozesses einschließlich der Lebensvorgänge finden lassen, wenn jener Prozeß der Deduktion nicht über die Leistungsfähigkeit menschlichen Denkens hinausginge. Der Verzicht des physikalischen Weltbildes auf Vollständigkeit ist also kein prinzipieller ...
»Die Entwickelung hat gezeigt, daß unter allen denkbaren theoretischen Konstruktionen eine einzige jeweilen sich als unbedingt überlegen über alle andern erwies; daß die Welt der Wahrnehmungen das theoretische System praktisch bestimmt, obschon kein logischer Weg von den Wahrnehmungen zu den Grundsätzen der Theorie führt, sondern nur die auf Einfühlung in die Erfahrung sich stützende Intuition ...
»Die Sehnsucht nach dem Schauen der von Leibniz erkannten ›prästabilierten Harmonie‹ ist die Quelle der unerschöpflichen Ausdauer, mit der wir Planck den allgemeinen Problemen unserer Wissenschaft sich hingeben sehen, ohne sich durch dankbarere und leichter erreichbare Ziele ablenken zu lassen ... Der Gefühlszustand, der ihn zu seinen Leistungen befähigt, ist dem des Religiösen oder Verliebten ähnlich; das tägliche Streben entspringt keinem Vorsatz oder Programm, sondern einem unmittelbaren Bedürfnis ... Möge die Liebe zur Wissenschaft auch in Zukunft seinen Lebensweg verschönen und ihn zu der Lösung des von ihm selbst gestellten und mächtig geförderten wichtigsten Problems der Gegenwart führen. Möge es ihm gelingen, die Quantentheorie mit der Elektrodynamik und Mechanik zu einem logisch einheitlichen System zu vereinigen!«
~ ~ ~
Das Ergreifende in Ihrer Ansprache, sagte ich, liegt für mich darin, daß sie gleichzeitig den Wissenschaftshorizont in aller Weite umspannt und den Erkenntnisdrang auf die Wurzel des Gefühls zurückführt. Als Sie Ihre Rede schlossen, bedauerte ich nur das eine, daß sie eben schon verklungen war. Es müßte schön sein, den Entwurf zu besitzen.
Legen Sie Wert darauf? fragte Einstein; dann nehmen Sie hier das Manuskript. Und dieser erfreulichen Gabe verdanke ich es, daß ich den vorliegenden Bericht über den Walhallagang mit einer so wertvollen Ergänzung schmücken darf.
* * *
Das Gespräch hatte mit der leuchtenden Einheit Galilei-Newton begonnen und neigte sich gegen Ende wiederum zu der Betrachtung eines Doppelsterns: die Namen Faraday-Maxwell stiegen auf.
Beide Zweigestirne, so erklärte Einstein, sind von demselben Helligkeitsgrad. Prinzipiell setze ich sie als gleichwertig für die Entwickelung der Erkenntnis.
»Müßte man nicht noch Heinrich Hertz als den dritten im Bunde hinzurechnen? Dieser Assistent Helmholtzens gilt doch als einer der Mitbegründer der Elektro-Optik, und man spricht doch oft in einem Atem von den Maxwell-Hertzschen Gleichungen?«
– Zweifellos, sagte Einstein, ist Hertz, der vielfach mit Maxwell zusammen genannt wird,
Weitere Kostenlose Bücher