Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt
gefeiert: L' Ophthalmologie était dans les ténèbres, – Dieu parla, que Helmholtz naquît – Et la lumiere était faite! Das war eine fast wörtliche Paraphrase der Huldigung, die einst Pope dem Newton gewidmet hat. Der Toast hallte damals durch die Welt, die Augenkunde erweiterte sich zur Wissenschaft überhaupt, die Apotheose galt allgemein. Du Bois-Reymond erklärte, daß keine wissenschaftliche Literatur irgend einer Nation ein Buch besäße, das Helmholtz' Werken von der physiologischen Optik und den Tonempfindungen zur Seite gestellt werden dürfe. Helmholtz wurde vergottet, und er hat für nicht wenige den Göttlichkeitsschimmer bis auf den heutigen Tag behalten.
Eine schrille Stimme fuhr dazwischen und bohrte sich in eine Hauptleistung des Mannes. Der Gegenrufer war Eugen Dühring , dessen preisgekrönte Schrift über die Prinzipien der Mechanik ihn ganz besonders zum Richter über diese Hauptleistung zu legitimieren schien. Dühring wollte den Helmholtz im tiefsten Fundament angreifen, im Gesetz »von der Erhaltung der Kraft«. Gelang es, ihn dort zu entwurzeln, so stürzte der Gott als zertrümmerter Götze vom Sockel.
Dühring hat Helmholtz geradezu besudelt; und es braucht wohl kaum gesagt zu werden, daß Einstein diese Art einer polemischen Beweisführung verabscheut; mehr als das: er nimmt sie wesentlich von der pathologischen Seite, und für manche der Dühring'schen Kernsprüche hat er nur das Lächeln der Geringschätzung übrig. Er betrachtet sie als Dokumente unfreiwilligen Ulkes, welche die Wissenschaftsgeschichte als abschreckende Beispiele aufzubewahren hat.
Auch Dühring gehörte zu denen, die Einen erhöhen wollten unter allen. Er setzte Robert Mayer auf den Altar und brachte ihm blutige Opfer. Gewohnt, ganze Arbeit zu machen, blieb er in der Opferwahl nicht bei Helmholtz stehen: Für den Entdecker des mechanischen Wärmeäquivalents war ihm keine Hekatombe zu groß; und so griff er auch nach Gauß und Riemann , um sie abzuschlachten.
Gauß und Riemann! Zwei Giganten in Einsteins Schätzung. Wohl wußte er, daß der rasende Ajax sich auch gegen sie losgelassen hatte; aber die näheren Tatumstände waren ihm nicht mehr genau gegenwärtig, und da wir das Material zur Hand hatten, so erlaubte er mir aus der Tragikomödie einige Zeilen zu wiederholen.
Helmholtz – von Dühring auch »Helmklotz« genannt – hat danach nicht anderes getan, als den Mayerschen mechanischen Grundgedanken zu verunstalten und fehlerhaft zu kolportieren. Er hat ihn durch sein »Bephilosopheln« ins eigentlich Absurde verdorben. Es war die ärgste aller an Mayer verübten Erniedrigungen, daß er mit einem zurückbleibenden Nachläufer zusammen genannt wurde, dem das »Physikastern« noch schlechter vonstatten ging, als das »Philosopheln«.
Es bleibt dunkel, was Gauß und Riemann gegen Mayer verbrochen haben. Aber da war ein anderer »Naturphilosophaster«, Justus von Liebig , der dem Dühring als contra Mayer verdächtig vorkam, und dieser hatte für jene gewaltigen Mathematiker die »Größenklapper« gerührt. Nachdem noch dieser, undnebenbei Clausius, abgestochen, geht es also an die Großen von Göttingen. Beim Thema Gauß und »Gaußerei« heißt es: »Sein Größenwahn machte es ihm unmöglich, an irgendwelchen Querstreichen, die ihm die defekten Teile seines Hirns besonders in der Geometrie spielten, irgendwelchen Anstoß zu nehmen. So kam es bei ihm zur mystifikatorischen Leugnung Euklidischer Axiome und Sätze und zu Grundlinien einer apokalyptischen Geometrie, nicht etwa bloß des Unsinns, sondern geradezu des Stumpfsinns ... Die Ausgeburten mathematischer Geistesstörung eines Professors, durch dessen Größenwahn zu neuen übermenschlichen Wahrheiten gestempelt! ... Die fraglichen mathematischen Einbildungen und Verstandesverrückungen sind Früchte einer echten Paranoia geometrica.«
Als Herostrat den Weihetempel eingeäschert hatte, erging der Beschluß der Jonischen Städte: Sein Name soll zur ewigen Vergessenheit verurteilt werden. Der Tempel-Attentäter Dühring wird fortleben, denn er ist, seiner eigenen Brandstiftung ungeachtet, ein Bedeutender an sich. Wir stießen hier auf unergründliche Rätsel einer komplexen Gelehrtennatur, die selbst ein Ergründer wie Einstein nicht zu lösen vermag. Das einfachste wäre es ja, den Spieß umzukehren, und das Robert-Mayer-Buch mit der Kritik »Paranoia« abzutun. Aber damit ist nicht durchzukommen. Denn überschlägt man darin die Blätter des
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