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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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Mithridates, Mezzofanti und ähnliche an die Spitze der geistigen Menschheit zu stellen. Ganz im Gegenteil läßt es sich nachweisen, daß bei den stärksten Persönlichkeiten und Erkenntnisförderern die Vielfältigkeit der Sinne durchaus nicht auf umfassender Sprachkunde beruhte, vielmehr darauf, daß sie den Kopf frei hielten von Belastungen, die einseitig das Gedächtnis in Anspruch nehmen.
    Gewiß, sagte ich, kann man zugeben, daß hier der Anlaß zu mancher Übertreibung vorliegt, und daß der Sprachbetrieb manches gelehrten Herren in sportmäßige Vielwisserei ausartet. Eine wirklich nachhaltige Geistestat hat recht selten oder nie ihren Ausgang von der Überfülle der erlernten Sprachstoffe genommen, und um ein Beispiel zu nennen, das mir grad' einfällt: Nietzsche wurde erst dann der weitwirkende Philosoph, als er den Philologen in sich überwunden hatte. Für unser eigentliches Thema schränkt sich die Frage jedoch merklich ein, sie reduziert sich wesentlich auf die Angelegenheit des altklassischen Unterrichts, also darauf, ob wir in Latein und Griechisch genug, zuviel oder zu wenig tun. Da möchte ich zuerst erwähnen, daß sich die Schulanforderung ehedem doch bedeutend weiter erstreckte als heutzutag, wo unter den Schülern der Oberklasse der perfekte Lateiner und Grieche kaum noch angetroffen wird.
    Gerade darin erblickt Einstein das Anzeichen einer Besserung und einer erfreulichen Besinnung auf die eigentlichen Ziele der Schule. Er sagte: der Mensch muß dazu erzogen werden, »subtil zu reagieren«; er soll gleichsam »geistige Muskeln« bekommen und ausbilden! Und hierfür sind die Methoden des Sprachdrills weit weniger geeignet, als die einer allgemeinen Bildung, die das Schwergewicht auf die Ertüchtigung zum eigenen Nachdenken legt. Freilich wird dabei die Berufsneigung des Zöglings nicht außer Ansatz bleiben dürfen, zumal sich diese Neigung schon sehr früh anzukündigen pflegt, hervorgerufen durch eigene Begabung, durch Vorbilder in der Familie unddurch andere Umstände, die auf die Wahl des künftigen Fachstudiums Einfluß haben. Deshalb trete ich durchaus dafür ein, daß in den Lehranstalten, besonders in Gymnasien, eine Gabelung stattfinde, etwa von der Tertia ab, wonach sich der junge Mensch am Teilungspunkte für die eine oder andere Linie zu entscheiden hat. Die allerersten Grundlagen, bis zur Tertia, können gleichmäßig gestaltet werden, denn sie betreffen Elemente der Bildung, die der Gefahr einer einseitigen Überspannung kaum ausgesetzt sind. Bemerkt der Zögling in sich ein besonderes Interesse für das, was der Schulmann Humaniora nennt, so soll es ihm unbenommen bleiben, das latein-griechische Garn weiterzuspinnen und zwar unter Entlastung von Arbeiten, die ihn nach seiner besonderen Natur nur drücken und ängstigen ...
    Sie denken da besonders – schaltete ich ein – an die Ängste in den Lehrstunden der Mathematik. Tatsächlich gibt es ja viele sonst recht intelligente Köpfe, die in mathematicis vollkommen wie mit Blödheit geschlagen sind, und denen die ganze Schule durch die Plage dieser Lektionen vergällt wird. Es leben in Menge Ärzte, Juristen, Historiker, Literaten, die bis ins späte Alter hinein von den mit mathematischen Greueln erfüllten Träumen heimgesucht werden. Deren Entsetzen war nur zu wohl begründet. Denn während der schlechte Lateiner immer noch eine Ahnung vom Latein bewahrt, der in Geschichte mangelhaft Beschlagene wenigstens weiß, wovon die Rede ist, schindet sich der Ungeometrische durch zahllose Mathematikstunden wie durch Unbegreiflichkeiten aus einer anderen Welt, die ihm in einer gänzlich unverständlichen Sprache vorgetragen werden. Er soll Fragen beantworten, deren Sinn er nicht einmal ahnt, Aufgaben lösen, in denen ihn jedes Wort und jede Ziffer wie unheilschwangere Rätsel anstarren. Und rechts wie links sitzen Schüler, denen das alles Spielerei ist, ja sogar einzelne, die alle Schulmathese binnen wenigen Monaten im Sturmschritt durchmessen könnten. Das ergibt einen Kontrast zwischen den Zöglingen, der den Betroffenen für die Dauer der Schuljahre geradezu mit tragischer Wucht bedrücken kann. Deshalb wäre allerdings eine Reform zu begrüßen, die bei Zeiten trennt, was getrennt zu werden verdient, und die den Lehrplan möglichst getreu den Begabungen anpaßt.
    Einstein machte darauf aufmerksam, daß solche Trennung bereits in vielen Schulen des Auslands, wie in Frankreich und Dänemark, durchgeführt sei, wenn auch nicht mit

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