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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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fortschreitet. Sie können sich auch in manchen Punkten auf längst anerkannte Autoritäten stützen. So auf M. Cantor, den Verfasser der monumentalenMathematikgeschichte. In dieser lesen wir: »Der größte italienische Maler des XV. Jahrhunderts steht nicht minder groß als Mann der Wissenschaft da. Die Geschichte der Physik ermangelt nicht, sich seiner zu rühmen und die Verdienste hervorzuheben, um derentwillen man Leonardo namentlich als einen der Begründer der Optik preist.« Er wird unmittelbar neben Regiomontanus gestellt als einer der damaligen Hauptwerkmeister am mathematischen Bau. Freilich läßt auch Cantor seine Zweifel einfließen, mit der Bemerkung, die bisherige Ausbeute zeigte den Leonardo nicht als großen Mathematiker. An anderer Stelle wird er wiederum in einem Atem neben Archimedes und Pappus als Entdecker im Gebiet der Schwerpunkts-Erforschung gefeiert.
    Was nun aber die Hauptsache anlangt, Leonardos Priorität in Fallgesetzen, Undulationstheorie und den anderen Grundprinzipien der Physik, so ist Einstein der Überzeugung, daß die Leonardo-Herolde sich entweder sachlich irren, oder daß sie die Vorläuferschaften übersehen. Gerade bei diesen Prinzipien gäbe es immer noch einen Früheren, und es sei fast unmöglich, die Entdeckungslinie bis zum ersten Anfang zurückzuverfolgen. Schließlich könne man, wie dem Galilei, Kepler und Newton zugunsten des Leonardo, auch dem Kopernikus den Kranz entwinden wollen.
    Das hat man ja auch versucht. Der eigentliche Kopernikus, so heißt es, war Hipparch aus Nicaea; und noch hundert Jahre zuvor Aristarch von Samos, der schon vor weit mehr als 2000 Jahren die Bewegung der Erde um ihre eigene Achse und um die Sonne lehrte.
    Und dabei brauchte einer noch gar nicht halt zu machen, meinte Einstein. Denn die Vermutung liegt nahe, daß Aristarch wiederum aus ägyptischen Quellen geschöpft hat. Diese Rückwärtsrevidierungen mögen das archäologische Interesse reizen und in einzelnen Fällen auch wohl zur Feststellung eines Erstanspruchs führen. Hier aber muß sich der Verdacht regen gegen die bewußte, vorgefaßte Absicht, alle wissenschaftlichen Ehren in einen persönlichen Brennpunkt zu konzentrieren. Das überragende Konstruktionsgenie Lionardos soll damit nicht bestritten werden, und wenn man ihn den scharfsinnigsten Ingenieur aller Zeiten nennen will, so braucht man sich dem nicht zu widersetzen.
    Alle Züge und Drücke der Natur waren in ihm als eigene innere Wirksamkeiten lebendig. Der Ausdruck ist von Hermann Helmholtz , und Helmholtz sprach von sich selbst, als er ihn formte. Der Vergleich ließe sich dahin fortsetzen, daß in denArbeiten beider der Mensch selbst mit seinen organischen Verrichtungen und Bedürfnissen eine bedeutende Rolle spielt. Das Abstrakte war ihnen Mittel zum Zweck des Anschaulichen, physiologisch-Brauchbaren, Lebensförderlichen. Leonardo ging von der Kunst aus und blieb im Mechanischen bis ins Maschinelle künstlerischer Gestalter. Helmholtz kam von der medizinischen Physiologie her und trug die in den Sinnen eingelagerten Schönheitswerte in seine Darstellungen der mechanischen Zusammenhänge. Beider Lebenswerke sind ästhetisch betont, das des Leonardo in tragischem Moll, das des Helmholtz in glückskräftigem Dur. Beiden gemeinsam ist eine fast unbegreifliche Vielseitigkeit und dauernde Produktivität.
    Wenn Einstein über Helmholtz spricht, so beginnt er mit einem glänzenden Auftakt, dessen Stimmung er im weiteren Verlauf nicht durchweg festhalten will. Ich vermag hier nicht ipsissima verba hinzusetzen, da es hier auf eine Wörtlichkeit ankäme, für die ich nicht einstehen möchte. Man erlaube mir daher, von einem Bericht abzusehen und nur einige Niederschläge aus jenen Erörterungen zu sammeln.
    Nach der Quersumme seiner Leistungen gemessen, ist Helmholtz für Einstein eine imposante Figur, der der Nachruhm gesichert bleibt, wie sie ja persönlich ihre eigene Unsterblichkeit erlebt hat. Wenn man aber bestrebt war, ihn den großen Gedankenschöpfern vom Kaliber eines Newton beizuordnen, so glaubt Einstein, daß diese Taxierung doch nicht voll aufrecht zu erhalten sein wird. Bei aller Vortrefflichkeit, Feinheit und Wirksamkeit der einzelnen, erstaunlich vielfältigen Eingebungen, scheint Einstein bei ihm die Grundgewalt einer ganz großen Geistestat zu vermissen.
    Auf einem Naturforscher-Kongreß zu Paris 1867 hat ein begeisterter Kollege des anwesenden Helmholtz unter allseitiger Zustimmung den Mann mit dem Rufe

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