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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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Gelehrten den allermindesten Eindruck machte.Keiner ahnte die Tragweite, niemand wies auf die aufflammende Hochbegabung. Und wenn diese dem gelehrten Welt-Areopag damals verborgen bleiben konnte, so wird sich wohl ähnliches Nichtverstehen auch im verkleinerten Verhältnis der Schule ereignen. Tatsächlich wissen wir, daß sich unter den anerkannten Größen der Wissenschaft zahlreiche befanden, die in der Schule nur höchst mäßig bestanden. So Humphrey Davy, so Robert Mayer, so Justus Liebig und viele andere. Wilhelm Ostwald behauptet geradezu: »Die künftigen Entdecker sind fast ohne Ausnahme schlechte Schüler gewesen! Gerade die begabtesten jungen Menschen widersetzen sich der Form der geistigen Entwicklung, die ihnen die Schule vorzuschreiben versuchte! Die Schule erweist sich immer wieder als ein zäher, unerbittlicher Feind der genialen Begabung!« – mit aller Auslese, die ja in der Form der Klassenversetzung schon immer geübt worden ist.]
    Aber die neue Auslese mit ihrer veränderten Gestaltung will ja eben die Mißgriffe und das Übersehen verhüten. Wärs möglich? Schrecken nicht die Spuren? Es gab einmal eine sehr ideale Auslese, die sich an einem der vornehmsten Institute der Welt zu bewähren hatte, an der französischen Akademie. Sie hätte auf einem unvergleichlich höheren Niveau Genies zu entdecken gehabt. Dagegen wies sie zurück oder übersah sie: Molière, Descartes, Pascal, Diderot, beide Rousseau, Beaumarchais, Balzac, Béranger, die Goncourt, Daudet, Emile Zola und viele andere Höchstbegabte, die sie eigentlich hätte finden müssen. Die einzig wirkliche, zugleich notwendige, wie ausreichende Züchtung besorgt die Natur selbst, im Bunde mit gesellschaftlichen Einrichtungen, die um so eher den Erfolg verbürgen, je weniger sie den Charakter von Brutanstalten und Züchtungshöfen annehmen. Wollt ihr in irgendwelcher Klasse Scharfsinnsproben vornehmen? Gut, prüft, so weit ihr mögt, regt an, befruchtet den Ehrgeiz, verteilt sogar Preise, aber nicht zu dem Zweck, in kurzfristigen Abständen die Schlaufüchse und Springböcke von den Schafen abzusondern. Und glaubt einstweilen, daß unter denen, die sich bei schematisierten Scharfsinnsproben zunächst als die Schafe zeigen, sich sehr viele befinden, die nach zehn oder zwanzig Jahren ihren Rang als Höchstbegabte einnehmen.
    Im Grunde ist es mit der forcierten Hinaufpflanzung des Schülers nicht anders als mit der Züchtung des Übermenschen nach Nietzsche-Zarathustras Rezept.
    Vorausgesetzt, daß der Übermensch überhaupt daseinsberechtigt existieren kann, so wird er, aber er läßt sich nicht bewirken. Der Arbeiter, als Klasse, repräsentiert den Übermenschen schon deutlicher als die Einzelperson eines Napoleon oder Cesare Borgia. So ist auch der »Überschüler« vielleicht schon heute vorhanden, nicht als Einzelerscheinung, sondern als Ganzes, als Ausdruck seiner Klasse. Wer Erfahrung in diesen Dingen besitzt, der weiß, daß man heute in schwierigen Fächern an den Fünfzehnjährigen Anforderungen des Verstandes stellen darf, die ehedem weit über der Fassungsebene der Gleichaltrigen lagen; wenn man eben den Durchschnitt in Betracht zieht, ohne zufällige oder künstliche Sonderung, ohne geistreichelndes Gefrage und systematische Talentschnüffelei.
    Uns genüge, wenn wir gewahren, daß sich das Gesamttalent dauernd erhöht. Dagegen ist es nicht erwiesen, ob man der Kultur einen Dienst erweist, wenn man sich auf das unmögliche Projekt versteift, den naturgewollten Kampf ums Dasein aus der Welt zu schaffen. Daß viele Begabungen unbemerkt erliegen, ist eine elementare, begreifliche Tatsache. Dagegen beachte man die lange Liste der Bedeutenden, die sich aus Tiefständen des Daseins emporrangen, um zu erkennen, daß die überwundene Schwierigkeit doch zumeist bei der Begabung selbst liegen muß, das heißt, in der Auslese der Natur, die Sorgen und Mühsal aufbaut, um an ihnen Kräfte zu erproben. Vom armen Brillenschleifer Spinoza bis zu Béranger, der Hilfskellner war, welche Kette von Trostlosigkeit, aber auch von Triumph! Herschel, der Astronom, war zu arm, um ein Fernrohr zu kaufen, und gelangte eben durch diese Armutssorge zur Konstruktion seines Spiegelteleskops; – Faraday, der Sohn eines mittellosen Hufschmieds, schlug sich jahrelang als Buchbindergeselle durch; – Joule, der Mitbegründer der mechanischen Wärmetheorie, begann als Bierbrauer; – Kepler, der Entdecker der Planetengesetze, stammte aus einer verarmten

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